Der Mulch macht´s
Sie haben sich ein Bein gebrochen? Beinwell-Salbe drauf und sie können sich den Gips sparen … Naja, ganz so sensationell wirkt die Staude dann doch nicht. Zumindest nicht bei Knochenbrüchen. Sehr wohl aber als Naturdünger im Beet.
Woher stammt der Name „Beinwell“?
Der Name Beinwell bezeugt die jahrhundertelange Nutzung der Pflanze als Heilkraut: „Bein-“ meint hier „Knochen“ (wie in Gebeine, Brustbein, Elfenbein, siehe auch „bone“ im Englischen), „-well“ kommt von „wallen”, was „zusammenwachsen, sich zusammenschließen“ bedeutet. So stammt auch der botanische Gattungsname „Symphytum“ vom griechischen Wort für „zusammenwachsen“. Aufgrund seiner schmerzlindernden, entzündungshemmenden, wundheilenden und abschwellenden Wirkung wird Beinwell bei Knochenbrüchen, Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen angewendet.
Das klingt nach einem „Wundermittel“ und wurde in früheren Zeiten tatsächlich so gesehen. Der englische Arzt Nicholas Culpeper schrieb um 1650: „Beinwell besitzt solche Kraft zusammenzufügen, dass zerteilte Fleischstücke wieder zusammenwachsen, kocht man sie mit Beinwell in einem Topf.“ Nun muss man dazu wissen, dass Culpeper auch behauptete, dass Krankheiten von den Planeten verursacht werden und die Heilung vom Stand der Gestirne abhängt.
Zwar fördert das im Beinwell enthaltene Allantoin tatsächlich das Zellwachstum und die Neubildung von Gewebe. Die Sache mit den Fleischstücken ist dennoch nur eine barockzeitliche Fake-News, die sich allerdings – ein Wesen der Fake-News – weit verbreitete: Culpepers Werke wurden vielfach nachgedruckt.
Woher stammt der Beinwell?
Zwei Arten wachsen im Botanischen Garten Gütersloh: „Symphytum officinale“, d.h. Arznei-Beinwell, findet sich in ganz Eurasien, in Nizza wie in Nowosibirsk. „Symphytum grandiflorum“, d. h. Großblütiger Beinwell, stammt aus den Wäldern des Kaukasus zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer.
Wo finde ich Beinwell im Botanischen Garten Gütersloh?
Großblütiger Beinwell wächst an der Hyazinthenwiese unter den Felsenbirnen und am Flamingo-Teich sowie im Steingarten, Arznei-Beinwell wo er hingehört: im Apothekergarten.
Wie pflanze ich Beinwell im eigenen Garten?
Indem Sie eine Grundsatzentscheidung treffen – wollen Sie ihn wirklich im Garten haben oder nicht?
Was dafür spricht: Beinwell ist ein hervorragender Flächendecker auch an ansonsten schwer begrünbaren Standorten. Wurzeldruck, Trockenheit, Schatten? Der Beinwell schlägt dennoch Wurzeln. Seine dichte, teppichartige, 20 bis 30 Zentimeter hohe Blätterdecke hilft, lästige Unkräuter zu unterdrücken – gegen das schmiergelpapierartige Laub zieht oft sogar Giersch den Kürzeren, und das will etwas heißen. Er ist anspruchslos, pflegeleicht, winterhart und ganzjährig dekorativ, ganz besonders im April und Mai, wenn sich die roten Knospen zu cremeweiß-gelblichen Blüten öffnen.
Was dagegen spricht: Der schnell wachsende Beinwell kann lästig werden und dabei andere Pflanzen im Beet verdrängen. Allein ähnlich konkurrenzstarke Bodendecker wie Elfenblumen und Golderdbeeren nehmen es mit ihm auf. Sie wollen Beinwell wieder entfernen? Schwierig bis unmöglich, wenn sie nicht einen kompletten Erdaustausch vorgesehen haben. Nicht nur, dass die Pflanze ohnehin bis zu 20 Jahre alt wird, sie kann sich zudem aus verbliebenen Wurzelstücken regenerieren. Sie mögen also ruhig 99% ihres Beinwellbeets herausreißen und umpflügen, im nächsten Jahr finden sie an der gleichen Stelle – ein Beinwellbeet. Um es positiv auszudrücken: Beinwell bleibt Ihr treuer Begleiter. Ob Sie wollen oder nicht.
Wer hätt’s gedacht?
Manchen Gärtnern kommt das eben negativ erwähnte Wuchern gerade recht: Für sie ist Beinwell nicht nur Zierpflanze, sondern auch Biomasse-Produzent und erste Wahl, wenn es um Mulchmaterial geht. Sie freuen sich über das schnelle Wachstum der Pflanze, deren Blätter sie drei- bis fünfmal im Jahr ernten können. Die Staude enthält neben Stickstoff eine überaus große Menge wertvollen Kaliums. Gerade an dem fehlt es in vielen Gärten, so dass er dem Boden viel zu oft durch chemischen Dünger, z. B. in Form von Kalimagnesium zugeführt wird.
Nicht nur ökologisch, auch für die Pflanzen sinnvoller ist Beinwellmulch: Die nährstoffreichen Blätter werden klein geschnitten oder ganz in den Beeten verteilt. Sie schützen fortan den Boden vor Austrocknung, vermindern Erosion, speichern die Wärme, regulieren Temperaturschwankungen, unterdrücken Unkraut, vor allem aber setzen sie als Naturdünger im Verrottungsprozess die Nährstoffe frei, von denen besonders Starkzehrer im Gemüsebeet wie Tomaten, aber auch Zierblumen wie Rosen profitieren.
Also doch ein Wundermittel – nur anders, als von Culpeper gedacht.
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