Gewöhnliche Küchenschelle

Küchenschelle im Steingarten

Der Til Schweiger unter den Pflanzennamen

Die Gewöhnliche Küchenschelle gehört nicht in die Küche. Aber warum heißt sie dann so? Und was müssen Hexen, Gänseküken und Salatfreunde befürchten, wenn man die Blume trotzdem zum Mittagstisch serviert?

Woher stammt der Name „Gewöhnliche Küchenschelle“?

Die Küchenschelle in der Küche zu verwenden ist keine gute Idee. Wer sie pflückt, um seinen Salat etwas aufzupeppen, bekommt zweierlei: erstens einen Bußgeldbescheid, weil die Küchenschelle als stark gefährdete Art unter Naturschutz steht. Und zweitens heftige Krämpfe und eine Lähmung des zentralen Nervensystems, schließlich auch der Atmung. Rund 30 Pflanzen eingenommen können zum Tod führen, was der Körper durch Brechdurchfall zu verhindern versucht, bevor die Lähmung einsetzt. Kurz: Dann doch lieber Rucola. Das Gift in der Küchenschelle verliert seine Wirkung erst, wenn die Pflanze getrocknet ist – aber dann peppt man damit seinen Salat auch nicht mehr auf.

Warum nur heißt die Küchenschelle trotzdem Küchenschelle? Tatsächlich liegt ein sprachliches Missverständnis vor. Die halb geschlossene Blüte ähnelt einer Kuhglocke bzw. einer Kuhschelle – und unter diesem Namen ist die Pflanze auch vielerorts bekannt. Anderenorts setzte jedoch eine Verniedlichung ein. Dem Volksmund schien eine echte Kuhschelle zurecht um ein Vielfaches größer, so dass er die Pflanze verkleinernd als „Kühchenschelle“ bezeichnete. Nun scheint der Volksmund eine ähnlich undeutliche Aussprache zu haben wie Til Schweiger. Jedenfalls wurde aus der Kühchenschelle die „Küchen“-Schelle, und dieser eigentlich unsinnige Name setzte sich durch. Aber unsinnige Tll-Schweiger-Filme setzen sich ja quotenmäßig auch durch.

„Küchen-“ oder „Kuhschelle“ klingt vielen Gartenhändlern zu ordinär, sie vermarkten die Pflanze lieber unter ihrem botanischen Gattungsnamen „Pulsatilla“ – das hört sich doch gleich viel eleganter an. Die Herleitung des Namens ergibt sich erneut über die Glockenform; er leitet sich vom lateinischen „pulsare“ für „schlagen, läuten“ ab. Es gibt zahlreiche Arten der Gattung, aber wir haben es nur mit der bei uns heimischen, früher häufig vorkommenden Küchenschelle zu tun, mit der „Pulsatilla vulgaris“. Der Artname „vulgaris“ steht für „gewöhnlich, allbekannt“.

Woher stammt die Gewöhnliche Küchenschelle?

Den natürlichen Lebensraum der Gewöhnlichen Küchenschelle bilden Kiefernwälder und Magerrasen in West- und Mitteleuropa. Die Pflanze stellt recht spezifische Ansprüche an ihren Standort. Mal ist es ihr zu kalt, mal zu dunkel, und zu oft gab es andere Pflanzen, die mit dem Wechsel der Lebensraumverhältnisse in den letzten 100 Jahren besser zurechtkamen. In den letzten Jahrzehnten beklagten Botaniker daher ein schrittweises Aussterben der Pflanze in einigen Regionen Europas – darunter auch in der norddeutschen Tiefebene.

Wo finde ich Gewöhnliche Küchenschellen im Botanischen Garten Gütersloh?

Der Mensch ist – vor allem durch die Umwandlung von Wiesen in Bau- oder Ackerland – Schuld daran, dass die Küchenschelle in der freien Natur so stark gefährdet ist. Andererseits schuf der Mensch einen künstlichen Lebensraum, der viel zur Verbreitung der Pflanze beitrug: Mit der Popularität von Steingärten fand die Küchenschelle flächendeckend Einzug in deutsche Gärten. So findet man sie auch im Botanischen Garten Gütersloh im Steingarten.

Wie pflanze ich Gewöhnliche Küchenschellen im eigenen Garten?

Künstlich vom Konkurrenzdruck der Nachbarpflanzen befreit, ist die Küchenschelle eine genügsame Pflanze. Als typische Trockenpflanze muss sie kaum gegossen werden, und Dünger schadet eher als er nützt.

Wer hätt´s gedacht?

Man traut es der zur Blütezeit nur 5 bis 15 Zentimeter kleinen Pflanze kaum zu, aber ihre Wurzeln reichen bis zu einem Meter tief ins Erdreich. Auch das ist ein Grund, warum sie so gut mit Trockenheit klar kommt. Den anderen kennen aufmerksame Leser dieser Kolumne schon vom Woll-Ziest und dem Salbei: Die Küchenschelle hat sich auf Stängel und Blütenblättern eine feine, silbrig-seidene Behaarung zugelegt. Das bewirkt gleich dreierlei:

  1. Es verzögert im Sommer Verdunstung und Sonnenbrand.
  2. Kein Fotograf kann vorbeigehen, ohne eine Aufnahme der behaarten Blüten im Gegenlicht zu machen.
  3. Volksmund und Aberglaube rotieren. Tatsächlich wird der Pelz der Blume im Jahreslauf immer zerzauster, zottiger und wilder. Das brachte ihr volkstümliche Beinamen wie „Bocksbart“, „Teufelsbart“, „Wildmannskraut“ und „Wolfspfote“ ein. Mancher glaubte früher, Küchenschellen wüchsen dort, wo der Jäger eine Hexe aus der Luft abgeschossen habe. Andere warnten davor, junge Gänschen würden im Ei ersticken, wenn man sich Küchenschelle in die Küche holt.

Heute wissen wir: Nein, sowohl den Hexen als auch den Gänschen geht es gut, nur wer den Salat als Vorspeise hatte, mag den Brechdurchfall als störend empfinden. Aber man soll die Küchenschelle ja ohnehin im Steingarten lassen. Und ein Foto bei Gegenlicht schießen.



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