Wenn Gütersloh sich den Beinamen „Stadt im Grünen“ geben kann, so hat sie das nicht zuletzt Karl Rogge (1884–1958) zu verdanken, auf dessen Pläne die heutige Gestaltung des Botanischen Gartens Gütersloh zurückgeht.
Der Botanische Garten wurde für ihn zum Beruf und zur Berufung; mehr als vier Jahrzehnte lang setzte er sich leidenschaftlich für die Erhaltung und stetige Erweiterung der Parkanlage ein. Die Stadt Gütersloh dankte es ihm mit der Beförderung zum „Stadtgartenoberinspektor“. Eine ausführlichere Beschreibung seines Lebensweges gibt dieser „Brief an Karl Rogge“, formuliert zum 100. Bestehen des Botanischen Gartens 2012 von der damaligen Schriftführerin des Förderkreises Barbara Weidler.
„(…) Für alle, die nicht wissen, welch wichtiger Mann Sie hier waren, berichten wir einfach mal aus Ihrem Leben. Geboren am 14. April 1884 in Hannover, erlernten Sie ab 1898 das Gärtnerhandwerk in Herford. Sie bildeten sich weiter an der Höheren Gärtner-Lehranstalt Köstritz (Thüringen) und am Technikum in Stargard (Mecklenburg).
Eine Ihrer wichtigen beruflichen Stationen war in den Jahren zwischen 1907 und 1910, die sie in Afrika verbrachten, die Tätigkeit als Obergärtner in ›East London in der britischen Kapkolonie. Nach Ihrer Rückkehr arbeiteten Sie auch in Bochum und Bielefeld. Doch die Zeit in Südafrika hat Ihr späteres gestalterisches Wirken hier wohl am meisten beeinflusst.
1912 traten Sie mit 28 Jahren als Gärtner in den Dienst der Stadt Gütersloh und begannen kurz darauf mit der Anlage des Botanischen Gartens. Im Verhältnis zur damaligen Einwohnerzahl von rund 18.200 Bewohnern war dieser Garten von der Größe her schon sehr beachtlich. Sie heirateten Anna Mehlhop aus Herford und hatten zwei Kinder. Ihr Sohn Karl hatte wohl Ihre Leidenschaft geerbt, denn Sie bildeten ihn ebenfalls zum Gärtner aus. Sie verloren ihn, 29 Jahre alt, im Zweiten Weltkrieg.
Genau genommen ist es ja kein Botanischer Garten, was wir da haben, denn er stellt die Pflanzen nicht nach ihrer geografischen Herkunft dar. Sie entwarfen vielmehr einen Schaugarten, denn die Gütersloher sollten etwas zum Anschauen bekommen. So entstand ein Blumengarten mit typischen Grundzügen der englischen Gartenkunst: viel Baumbestand, weite Sichtachsen. Dafür pflanzten Sie Gehölze und Stauden in Gruppen. Hier wirkten sich Ihre Erfahrungen aus der Zeit in Südafrika aus.
Der Kern der Anlage ist bis heute in seiner ursprünglichen Form erhalten, das wird Sie sicher freuen. Geometrische Wasserbecken, Laubengänge mit Sitznischen und hohe Hainbuchenhecken schaffen immer noch intensive Räumlichkeit und formale Geschlossenheit – so nennen das Gartenfachleute. In späteren Jahren kamen seitliche Bereiche dazu, größere Rasenflächen sowie geschwungene Wege. Nach außen schließen hohe, meist einheimische Bäume und Sträucher den Garten ab.
Dann unterbrach der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1915 Ihr Schaffen. Aber die Gütersloher waren praktische Leute – sie pflanzten derweil in den Blumenrabatten Gemüse, das Krankenhaus wurde damit beliefert. Mit Obst aus den städtischen Anlagen wurde auch die Wehrmachts-Verpflegungsstelle versorgt. Nach Kriegsende ging es dann mit der Neugestaltung los. Ein zweiter Goldfischteich, ein Laubengang und der Kugelahorn mit Rundbank wurde gepflanzt – Treffpunkt unzähliger Stelldicheins am Sonntagnachmittag. Inzwischen gibt es – notwendigerweise – schon Kugelahorn II. Nummer eins war leider krank geworden.
Über viele Jahrzehnte arbeiteten Sie an der Konzeption des Blumengartens, fügten neue Bereiche harmonisch hinzu. Viele ungenannte Hände halfen Ihnen dabei. 1938 entstand der Bau des Palmenhauses, das jedoch durch den Krieg stark beschädigt wurde. Heute befindet sich an gleicher Stelle auch wieder ein Palmenhaus, dem damaligen Baustil nachempfunden. Allerdings stehen da weniger Palmen, vielmehr Tische und Stühle – es ist ein gern besuchtes Café.
1946 wurde ein Rosengarten angelegt, der 1963 umgestaltet wurde. 1950 entstand der Birkenhain im nördlichen Teil, sozusagen der Abschluss zur Dalke hin. Heute wachsen da schön anzuschauende Himalaya-Birken mit sehr weißer „Pelle“. Im Frühling, wenn die unzähligen Osterglocken darunter blühen, noch eine Etage tiefer auch dazu die Gänseblümchen, und wenn dann die Sonne durch das erste zarte Birkengrün scheint, also, das ist schon ein Augenschmaus.
Im März 1952 traten Sie dann mit 68 (!) Jahren in den Ruhestand, der Ihnen noch sechs Jahre vergönnt war. Hatten Sie im Ersten Weltkrieg schon einen Arm verloren, traf Sie nun ein weiterer Schicksalsschlag, als Sie durch eine Krankheit Ihr Augenlicht verloren. Für das Grab der Familie Rogge schuf 1980 Ihre Enkeltochter, die Gütersloher Künstlerin Irene Müller, die ›Bronzefigur eines Mädchens. In die geschlossene rechte Hand können Blumen eingelegt werden. Das ist feinste Poesie und würde Ihnen gefallen.
Und sicher auch das, aber das haben Sie ja selber noch erlebt: Aufgrund Ihrer Verdienste um das städtische Grün wurde der Weg entlang der Dalke im Stadtpark nach Ihnen benannt: Karl-Rogge-Weg.“
Weitere historische Fotos aus dem Familienalbum von Karl Rogge: