Wald-Geißbart

Wald-Geißbart

Namens- und Geschlechtsverwirrung

Das kleine Schild im Botanischen Garten verrät: Hier wächst China-Wald-Geißbart. Problem: Ob es diese Art überhaupt gibt, ist unter Botanikern heftig umstritten. Die Mehrheit glaubt: nein. Über solche Glaubensfragen können Botaniker-Ehen zerbrechen. Wir versuchen mal aufzudröseln, worum es beim Staudenstreit geht.

Woher stammt der Name (China-)Wald-Geißbart?

In den rispigen, bis zu 50 Zentimeter langen Blütenständen der Spierstaude einen Ziegenbart erkennen zu können, dazu braucht es nicht viel Phantasie. Was den „Wald-“ betrifft: Wald-Geißbart wuchs natürlich zuerst im Wald, bevor der Mensch ihn im Garten als Zierpflanze kultivierte. Gebietsweise ist es aber auch umgekehrt: In Norddeutschland kam Geißbart ursprünglich nicht vor; es waren sogenannte „Gartenflüchtlinge“, die verwilderten, so dass die Staude nun auch in niedersächsischen Wäldern anzutreffen ist.

Soweit zum Wald-Geißbart. Einige Botaniker würden die Pflanze im Botanischen Garten von Gütersloh indes als China-Wald-Geißbart bezeichnen bzw., weil es ja Botaniker sind, als „Aruncus sinensis“, auf der Deutsch „Chinesischer Ziegenbart“. Andere meinen, eine solche Art gebe es gar nicht, der angebliche China-Wald-Geißbart sei nur ein leicht anders aussehender Wald-Geißbart bzw. „Aruncus dioicus“. Das bedeutet „zweihäusiger Ziegenbart“ und bezieht sich auf die männlichen und weiblichen Exemplare der Pflanze.   

Woher stammt der (China-)Wald-Geißbart ‘Zweiweltenkind‘?

Aus der Staudengärtnerei von ›Karl Foerster in Potsdam-Bornim. Alle Staudenzüchter fallen bei der bloßen Nennung dieses Namens auf die Knie; die fast religiöse Verehrung des „Staudenpapstes“ brachte seinen Jüngern den Namen „Foersterianer“ ein.

Foerster kreuzte 1959 einen heimischen Wald-Geißbart mit einem Geißbart, den er aus China erhalten hatte. Die Sorte aus dieser vermeintlich europäisch-asiatischen Hybride nannte er poetisch ,Zweiweltenkind‘. Ganz unpoetisch betrachtet fing aber genau dort der ganze Brast mit der Benamsung an. Die „Aruncus-dioicus“-Vertreter sind der Meinung, Foerster habe sich bei seiner Pflanzenlieferung aus Fernost hundsgewöhnlichen Wald-Geißbart andrehen lassen – es sei also keine eigenständige chinesische Art gewesen, sondern quasi ein Re-Import der heimischen. Deshalb verweigern sie der Pflanze das Attribut „sinensis/chinesisch“.

Aber ist es denkbar, dass jemand wie Karl Foerster, Ehrenmitglied der Deutschen Staudenunion, eine Art erkennt, wo keine ist? Das klären wir weiter unten.

Wo finde ich Wald-Geißbart im Botanischen Garten?

Zum Beispiel am Weg entlang der Wiese zwischen Asterngarten und Birkenwiese sowie am Tümpel, an dem die Bronzeskulptur „Die Flamingos“ steht.

Wie pflanze ich Wald-Geißbart im eigenen Garten?

Als Hintergrundkulisse im Naturgarten oder Staudenbeet – der buschige Wald-Geißbart wächst bis zu 1,50 Meter hoch und ausladend. Seine weißen Blütenstände im Juni / Juli erinnern an Astilben, die sich deshalb als Nachbarn eignen. Der pflegeleichte Wald-Geißbart kann dabei mehrere Jahrzehnte alt werden.

Wer hätt´s gedacht?

Dass es bei einigen Pflanzenarten männliche und weibliche Exemplare gibt, weiß vielleicht auch der botanische Laie. Auch wer es nicht weiß, kommt mit diesem Phänomen in Berührung, zum Beispiel beim Biertrinken: Der Hopfen für den Brauprozess stammt ausschließlich von weiblichen Pflanzen, die männlichen sind für die Brauer wertlos. Wer sich an Weidenkätzchen erfreut, tut dies mutmaßlich an den Blüten einer männlichen Weide, denn die gelbgrünen der weiblichen Exemplare sind weit schmuckloser. Und nicht ohne Bedacht wurden im Botanischen Garten männliche Gingkos gepflanzt, denn die Früchte der weiblichen Bäume verbreiten einen fauligen Gestank.

Bei Stauden ist diese sogenannte Zweihäusigkeit indes recht selten. Aber sie kommt vor – beim Wald-Geißbart. War Karl Foersters chinesische Importpflanze ein männliches Exemplar, das im Vergleich mit heimischen weiblichen Exemplaren leicht anders aussah? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Exemplare einer Spezies ihrem korrekten Geschlecht zuzuordnen ist ja heute selbst bei einigen Menschen nicht immer leicht, bei Pflanzen würden wohl die meisten scheitern. Fest steht: Mit ,Zweiweltenkind‘ schuf Foerster einen Namen, der sich so glänzend vermarkten ließ, dass sich die Sorte heute in Gärten und Parks in ganz Europa – inklusive Gütersloh – findet. Und so der Betrachter kein Botaniker ist, wird es ihm herzlich egal sein, zu welcher Art diese prachtvolle Pflanze gehört.



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