Hakenlilie

hakenlilie

Namenlose Exoten

„Zäh wie ein Maultier, schön wie ein Sommerkleid, groß wie die Phantasie und ewig wie der Himmel“, so beschreibt ein amerikanisches Gartenmagazin Hakenlilien. Die letzten drei Vergleiche können wir direkt nachvollziehen: Die herrlichen rosa Blüten (schön) wachsen an bis zu ein Meter hohen Stängeln (groß), und die Pflanzen werden mehrere Jahrzehnte alt (ewig – zumindest für eine Staude).

Zur Umschreibung „zäh wie ein Maultier“ muss man wissen, dass das zitierte Gartenmagazin im sonnigen Kalifornien sitzt. Dort mag die Zierstaude pflegearm und robust sein. Die Gütersloher Stadtgärtner müssen sich etwas mehr anstrengen, um den Besuchern des Botanischen Gartens eine jährliche Hakenlilienblüte präsentieren zu können.

Woher stammt der Name?

Welcher Name? Die hier behandelte Pflanzenart hat keinen fest gebräuchlichen deutschen Namen! Ihre Gattung wird meist als „Hakenlilie“ bezeichnet. Aber da fängt das Elend schon an: Was im Deutschen „Lilie“ heißt, ist in neun von zehn Fällen keine – botanisch gesehen. Auch die Hakenlilie nicht. (Der zehnte Fall ist die Madonnen-Lilie.)

Nun lassen sich namenlose Nicht-Lilien schlecht verkaufen. Gartencenter sind daher gezwungen, kreativ zu werden. Im Handel sieht man die Zierpflanze bisweilen als „Powells Hakenlilie“ (wobei die Pflanze, wie gesagt, keine Lilie ist) oder „Narzissenlilie“ (wobei die Pflanze auch keine Narzisse ist) oder „Liliennarzisse“ (wobei … ach, es ist zwecklos) oder „Kaplilie“ (wegen des Kaps der Guten Hoffnung, woher die Hybride aber nicht stammt) oder „Gartenamaryllis“ (was irreführend ist, weil so auch die Gattung der Rittersterne genannt werden).

Hakenlilie Blüte

Einen eindeutigen botanischen Namen hat unsere Pflanze natürlich: „Crinum × powellii“. Der griechische Urvater aller Naturforscher, Theophrast, hatte in seinem Pflanzenlexikon irgendetwas Lilienartiges „krinón“ genannt, und weil Plinius bei ihm abschrieb, hieß auch im Alten Rom eine Lilienart „crinon“. Der Artname verweist auf den englischen Pflanzenzüchter C. B. Powell (1830–1904).

Woher stammt die Hakenlilie Crinum × powellii?

Wenn man es ganz genau nimmt: aus dem Garten von Mr. Powell. Wie das × im botanischen Namen anzeigt, ist Crinum × powellii eine Hybride, d.h. sie wurde künstlich erzeugt aus zwei natürlich vorkommenden Hakenlilien-Arten.

Wenn man es nicht ganz genau nimmt, ist auch die Antwort „Südafrika“ korrekt: Ihre beiden Eltern sind die Rosa Hakenlilie und die Busch-Hakenlilie, und diese beiden Arten kommen ursprünglich nur in Südafrika vor, genauer: in den Provinzen Ostkap und KwaZulu-Natal. Dort sind auf relativ kleinem Raum die unterschiedlichsten Ökosysteme benachbart. Küsten-, Sumpf-, Savannen-, Seen-, Hügel- und Gebirgslandschaften machen die Ostküste des ohnehin pflanzenartenreichen Südafrikas zu einem besonderen ›Biodiversitäts-Hotspot.

So wundert es nicht, dass europäische Botaniker die Busch-Hakenlilie erst 1874 entdeckten. Wenige Jahre später hatte Mr. Powell die Pflanze mit der Rosa Hakenlilie gekreuzt, um die beiden Eigenschaften „Schönheit der Blüte“ und „Winterhärte“ zu kombinieren – erfolgreich.

Wo finde ich Hakenlilien im Botanischen Garten Gütersloh?

Die Pflanzen gehören zu den ältesten Stauden im Park, die Exemplare sind rund vier Jahrzehnte alt. Aufs Jahr genau vermag niemand zu sagen, wann die Hybrid-Hakenlilien gepflanzt wurden. Aber jeder Stadtgärtner, der damals dabei war, erinnert sich, wie sie umgepflanzt wurden: Bei der Erweiterung des Botanischen Gartens 1996/97 gruben sie die Zwiebeln in den Beeten, die das damalige Ende der Anlage markierten, aus einem halben Meter Tiefe – eine unvergessen schweißtreibende Arbeit. Ihr neues Zuhause erhielten die Schmuckstauden im Asterngarten in einem Rondell vor einer der Holzlauben.

Wie pflanze ich Hakenlilien im eigenen Garten?

Mit grünem Daumen. Eigentlich wachsen Hakenlilien in den Tropen oder Subtropen, hierzulande werden sie, wenn überhaupt, als Kübelpflanzen gehalten, die man im Winter ins Haus holt. Aber: „In Gebieten mit Weinbauklima kann die Staude auch gut abgedeckt in der Erde überwintern“, heißt es in einem Gartenratgeber. Da kennen die Autoren aber die Gütersloher Stadtgärtner schlecht! Auch ohne ein Klima, das Spexarder Spätlese und Kattenstrother Kabinett gedeihen ließe, bringen sie die Hakenlilien im Freien durch den Winter. Dazu häufen sie eine dicke Laubschicht über das Beet, die sie mit einem Drahtzaun windfest machen. Im Sommer braucht die Hakenlilie volle Sonne, regelmäßig Wasser und Dünger.

Hoher Pflegeaufwand bei geringer Gelinggarantie – entsprechend selten sieht man Crinum × powellii in Privat- und auch in öffentlichen Gärten, und entsprechend stolz dürfen die Stadtgärtner auf die jahrzehntealte Hakenlilienpopulation am Dalkekap sein.

Wer hätt’s gedacht?

Was die Stadtgärtner beim Umpflanzen auch hat stöhnen lassen: Hakenlilien-Zwiebeln sind ungewöhnlich dick. Sie können mit 15 Zentimetern im Durchmesser so groß wie ein Straußenei werden.



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