Brasilianische Guave

Brasilianische Guave

Geheimtipp im Obstregal

Eine südamerikanische Pflanze, die von und nach deutschen Forschern benannt wurde, auf georgischen Plantagen wächst und von neuseeländischen Obstbauern vermarktet wird – das ist die Brasilianische Guave.

Woher stammt der Name „Brasilianische Guave“?

Guaven haben ihren Namen aus der Sprache der Arawak, einem indigenen Volk an der Nordküste Südamerikas. Die Arawak galten als ausgesprochen friedliebend – Kolumbus notierte 1492 in sein Logbuch: „Sie bieten jedem an, ihre Güter zu teilen“. Zum Verhängnis wurde ihnen, dass sie nur Früchte wie die Guave (in ihrer Sprache „guayabo“) zum Teilen hatten, die spanischen Konquistadoren aber auf Gold bestanden. Um eine schlimme Geschichte möglichst kurz zu erzählen: Innerhalb von 60 Jahren war das rund 300.000 Menschen starke Volk der Arawak durch Kämpfe, Versklavung, Landraub, eingeschleppte Krankheiten und auch Massensuizid nahezu verschwunden. Heute sprechen keine 3.000 Einwohner von Surinam und Guayana noch die Sprache der Arawak.

Die Brasilianische Guave allerdings ist gar keine Guave, sondern heißt nur ihrer Ähnlichkeit der Früchte wegen so. Botanisch gesehen besteht kaum Verwandtschaft. Ihr wissenschaftlicher Name „Acca sellowiana“ kam unter gleich dreifacher deutscher Beteiligung zustande. Die Erstbeschreibung des Strauches erfolgte 1854 nämlich durch den Berliner Botanik-Professor Otto Karl Berg. Wer eine Pflanze zuerst beschreibt, darf sich einen Namen für sie ausdenken. Berg entschied sich für einen Artnamen, der den Potsdamer Pflanzenjäger und Naturforscher Friedrich Sellow ehrt.

Dieser hatte ab 1814 die unerforschten Regionen Uruguays und Südbrasiliens erkundet und seinen Forschergeist mit dem Leben bezahlt: Mit nur 42 Jahren ertrank er bei der Durchquerung des Rio Doce an einem Wasserfall. Doch im Laufe seines kurzen Lebens hatte Sellow 12.000 Pflanzen, 5.000 Vögel, 110.000 Insekten und 2.000 Gesteine gesammelt. (Wer selbst etwas sammelt und einen Lebenspartner hat, der diese Sammelleidenschaft kritisch sieht, möge ihm/ihr einfach mal vor Augen führen, das andere Leute 110.000 Insekten sammeln. Dass Sellow unverheiratet und kinderlos blieb, müssen Sie ja nicht erwähnen. Irgendwie wundert es einen aber auch nicht.)

Ihre heute gültige Bezeichnung erhielt die Brasilianische Guave 1941 durch den deutschen Wissenschaftler Max Burret, der für den Botanischen Garten Berlin arbeitete. Er ordnete die Pflanze der Gattung „acca“ zu, so benannt nach der römischen Götting Acca Larentia.

Woher stammt die Brasilianische Guave?

Friedrich Sellow war der erste Europäer gewesen, der eine Brasilianische Guave entdeckte. Er schickte die Samen aus Brasilien nach Berlin, was Karl Otto Berg die Erstbeschreibung und die Namensgebung erleichterte. Das Gen-Zentrum der Pflanze liegt also tatsächlich in (Süd-)Brasilien.

Doch im Zeitalter der Globalisierung ist ihr Vorkommen längst nicht mehr auf diese Region beschränkt. Da sie recht anspruchslos ist und ihre Früchte vielfach verwendet werden können – für Konfitüre, Mus, Saft, Wein und Joghurt –, wird sie industriell angebaut. So kommen die Brasilianischen Guaven in unseren Obsttheken und Lebensmitteln fast nie Brasilien, sondern aus Sizilien, Israel, dem Kaukasus oder – dazu später mehr – aus Neuseeland.

Brasilianische Guave

Wo finde ich eine Brasilianische Guave im Botanischen Garten?

In einem Kübel im Mediterranen Garten. Bzw. im Winter im benachbarten Gewächshaus. Bei Temperaturen unter -8 Grad erfriert die Pflanze.

Wie pflanze ich eine Brasilianische Guave im eigenen Garten?

Das ergibt sich aus dem vorhergehenden Kapitel: Sie pflanzen sie gar nicht im Garten, sondern höchstens im Kübel. Im Sommer bieten Sie ihr einen vollsonnigen Platz und im Winter einen hellen (!) Standort mit mindestens 10 Grad.

Wer hätt’s gedacht?

Sie haben noch nie die Früchte der Brasilianischen Guave gegessen? Hierzulande gelten sie noch als Geheimtipp. Ganz anders in Neuseeland. Man kennt sie dort als Feijoas, und unter diesem Namen möchten die Obstbauern mit ihr eine neuseeländische Erfolgsgeschichte wiederholen.

Schon einmal schafften sie es, den Weltmarkt mit einer Frucht zu beliefern, die ursprünglich ganz woanders herstammt: Die Kiwi war als Chinesische Stachelbeere aus dem Reich der Mitte eingeführt worden. Pfiffige Marketingstrategen verpassten ihr 1959 einen neuen, handelsfähigeren Namen. So stieg Neuseeland zum drittgrößten Kiwi-Produzent der Welt (nach China und Italien) auf.

Die Brasilianische Guave, deren Frucht der Kiwi in Form und Farbe nicht unähnlich ist, soll der nächste Exportschlager werden. Der inländische Markt ist seit Jahren gut abgedeckt, und die ›New Zealand Feijoa Growers Association vermarktet ihre Erzeugnisse unter dem Slogan „Feijoaliscious!“ mittlerweile auch in Asien hervorragend – 2018 überstieg die Nachfrage das Angebot.

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Trend von Ostasien nach Ostwestfalen schwappt. Dann wären wir in Gütersloh in der Tat auf den Import aus Ozeanien angewiesen oder müssen den Bestand an Brasilianischen Guaven im Botanischen Garten deutlich erhöhen. Derzeit beträgt die Erntemenge der drei dort stehenden Exemplare etwa zwanzig Früchte pro Jahr.



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