Das goldene Gras des exzentrischen Schneckenjägers
Solch eine Farbe, wie es das Gold-Flattergras hervorbringt, gibt es nur einmal im Park. Sie passt gut zum „Schöpfer“ der Pflanze, einem britischen Züchter, der ebenso einzigartig war.
Woher stammt der Name „Gold-Flattergras“?
Gold-Flattergras ist eine spezielle Sorte des Wald-Flattergrases. Flattergräser entwickeln Blätter, die oft an der Spitze oder schon auf der Hälfte abknicken und nicht nur bei Wind an wehende Wimpel erinnern. Das Wald-Flattergras mag keine Sonne, wächst also vornehmlich an schattigen und halbschattigen Standorten – im Wald halt. Und das Gold-Flattergras wiederum verdankt seinem Namen seinem unverwechselbaren leuchtend gelb-grünem Farbton.
„Milium effusum“ lautet der botanische Name des Wald-Flattergrases. „Milium“ ist das lateinische Wort für Hirse – das Wald-Flattergras wird auch Waldhirse bezeichnet. Wortwurzel dafür ist wohl das indogermanische „mel“, das für „mahlen“ steht. Das lateinische „effusus“ bedeutet „losgelassen, frei fliegend“ – wie die Blätter des Flattergrases. Die spezielle Sorte im Botanischen Garten Gütersloh heißt „Milium effusum ‚Aureum‘“, also „Goldene frei fliegende Hirse“.
Woher stammt das Gold-Flattergras?
Wildes Wald-Flattergras kommt auf breiten Teilen der nördlichen Hemisphäre vor, so auch in ganz Deutschland – von den Küstenregionen abgesehen (wo kein Wald, da kein Wald-Flattergras). Spannender als beim Wald- ist die Herkunft des Gold-Flattergrases …
Wir stellen in unseren Pflanzenporträts einige Pflanzen-Freaks und Garten-Enthusiasten vor – meist Briten. Da wäre zum Beispiel der Pflanzenjäger Ernest „Chinese“ Wilson, der mehrere Jahre lang durch China reiste, um einen Taschentuchbaum zu finden. Oder (in der Folge zum Duft-Schneeball) an Reginald Farrer, der sich an einer Klippe abseilen ließ und mit einem Gewehr Samen auf die Felsen schoss, um dort einen Steingarten anzulegen.
Hier lernen wir einen Freund Farrers kennen: Edward August Bowles (1865–1954), ein Großonkel von Andrew Parker Bowles, dem ersten Mann von ›Camilla Parker Bowles – wir sind also ganz nah dran an der königlichen Familie. In Deutschland nahezu unbekannt, ist dieser in Großbritannien zumindest unter Gartenfreunden – und davon gibt es auf der Insel sehr viele – noch immer recht populär.
Edward August Bowles hatte keine Frau, dafür einen Botanik-Spleen und genug Zeit und Geld, diesen auszuleben (inwieweit Ehelosigkeit und Pflanzen-Fetischismus in Zusammenhang stehen, soll hier nicht erörtert werden). Auf seinen Reisen durch Europa und Nordafrika sammelte er Pflanzen für seinen Landsitz. Unglücklicherweise litt Bowles an Asthma und Heuschnupfen; er war gegen zahlreiche Pollen allergisch. Deshalb mied er blühende Pflanzen – welch ein Botaniker-Schicksal!
Rund ums eigene Herrenhaus pflegte und züchtete er hunderte verschiedener Stauden. Bedienstete berichteten von Bowles‘ persönlichem Einsatz für seine Stauden. So ging er nachts auf Schneckenjagd: In der einen Hand eine Laterne, in der anderen eine Hutnadel, kroch er durch die Beete seines Herrenhauses, um seine Züchtungen auf wenig tierliebende Art von gefräßigen Weichtieren zu befreien.
Bis heute profitieren Gartencenter in aller Welt von Bowles‘ großem Interesse auch für „unscheinbare“ Gewächse. Während sich die Pflanzenzüchter seiner Zeit auf Rosen und Orchideen stürzten, um diese prächtigen Blumen noch prächtiger werden zu lassen, beschäftigte sich Bowles mit Arten, die man leicht übersieht, wie Nieswurz, Gelbwurz – und Flattergras. Er schaffte es, aus solchen „gewöhnlichen“ Pflanzen bewundernswerte und umsatzfördernde Zierpflanzen zu züchten.
Am Ende seines Lebens hatte er mehr als 40 neue Sorten geschaffen, die seinen Namen tragen. So heißt das Gold-Flattergras im Englischen „Bowles‘ Golden Grass“. Bowles vermachte sein Vermögen und seinen Garten der University of London. Seine Asche wurde, seinem Wunsch folgend, zur Düngung des Steingartens verwendet.
Wo finde ich Gold-Flattergras im Botanischen Garten Gütersloh?
In den Saisonalen Beeten rund um den Kugelahorn. Auch wenn die Pflanzenarten dort regelmäßig wechseln, Gold-Flattergras gehört insbesondere im Frühlingsflor regelmäßig dazu. Mit seinen leuchtend gelb-grünen Blättern erzeugt es auch in den eher tristen Monaten zwischen November und März ein paar frische Farbtupfer in den Beeten.
Wie pflanze ich Gold-Flattergras im eigenen Garten?
Kaufen, pflanzen, freuen. An die Pflege stellt die Pflanze kaum Anforderungen. Dazu schafft sie es, einzigartige Farbeffekte gerade in Schattenlagen zu zaubern.
Wer hätt‘s gedacht?
Die ungewöhnliche Farbe der Blätter, die wir bislang mit gelb-grün bezeichnet haben, hat einen Namen: Chartreuse-Gelb. Chartreuse ist der Name und die Farbe eines ›Likörs, der von Kartäusermönchen des Klosters La Grande Chartreuse (die Große Kartause) in Grenoble nach jahrhundertealtem Rezept hergestellt wird und in den 1950er- und 1960er-Jahren auch in Ostwestfalen ein beliebtes Partygetränk war.