Chinaschilf

Zwerg-Chinaschilf

Von Zwergen und Giganten

Das Chinaschilf kommt in verschiedenen Größen vor. Im Botanischen Garten begnügt man sich, bescheiden wie der Gütersloher ist, mit der Miniaturvariante. Wer das Gras industriell nutzen möchte, findet aber auch große Sorten. Bzw. sehr große Sorten.

Woher stammt der Name „Chinaschilf“?

Nicht gerade das Chinaschilf, wohl aber andere Süßgräserarten kannten natürlich auch die alten Römer. „scirpus“ nannten sie die Pflanze, und aus diesem lateinischen Begriff entwickelte sich das deutsche Schilf. Oder der Schilf? Im Lateinischen war das Wort ein Maskulinum, bei Luther, der es übersetzte, liest man daher „der Schilf“. Vom Niederdeutschen „schelp“ ausgehend bürgerte sich allerdings „das Schilf“ ein, vermutlich weil dem Schilf- häufig das -rohr angehängt wurde.

Die Artbezeichnung „China-“ in ihrem Namen trägt die Pflanze zu Recht, wie wir weiter unten sehen werden. Zu Unrecht allerdings liest man an Chinaschilf-Etiketten im Gartencenter bisweilen von „Elefantengras“. Damit möchten die Pflanzenhändler auf die beachtenswerte Wuchshöhe von bis zu 3 Metern aufmerksam machen. Allerdings tragen gleich mehrere, gänzlich unterschiedliche Pflanzenarten diesen Beinamen (der beim ›Ugandagras von dessen Verbreitungsgebiet her noch am passendsten ist). Außerdem ist China noch viel größer als ein Elefant, „Chinagras“ sollte damit auch für Gartencenter, die Eindruck schinden wollen, der zu bevorzugende Name sein.

Altsprachliche Botaniker nennen das Chinaschilf ohnehin lieber Miscanthus sinensis. Der Gattungsname setzt sich aus den beiden griechischen Wörtern „mischos“ für „Stiel“ und „anthos“ für „Blume, Blüte“ zusammen. Der Artname „sinensis“ ist spätlateinisch für „chinesisch“. Das Chinaschilf ist also für Botaniker eine „chinesische Stielblüte“.

Woher stammt das Chinaschilf?

Nomen est omen: Das Chinaschilf wächst in weiten Teilen Chinas, wo es als Rohstoff für Matten und Flechtwerk genutzt wurde und wird. 1855 wurde es erstbeschrieben und ist seitdem auch der westlichen Wissenschaftswelt bekannt.

Hundert Jahre später, in den 1950er Jahren, entwickelte es sich sowohl in Europa als auch in Nordamerika zu einer Modepflanze der Gartengestaltung. Aus den privaten Grünanlagen verwilderte es, so dass es heute weltweit zu finden ist.

Die Umweltbehörden in den USA deklarierten die Ausbreitung als „biologische Invasion“ und das Chinaschilf als „unerwünschte Art”, das seit mehreren Jahrzehnten ebenso großflächig wie letztlich erfolglos mit Herbiziden bekämpft wird.

Wo finde ich Chinaschilf im Botanischen Garten Gütersloh?

Im Gräserband zwischen den saisonal bepflanzten Beeten rund um den Kugelahorn und der Wiese. Bevor sie jetzt dort ein bis zu 3 Meter hohes Gras suchen: Die Stadtgärtner haben, damit das Schilf den Blick auf den Rest des Gartens nicht völlig verhindert, die Sorte „Adagio“ gepflanzt – auch bekannt als Zwerg-Chinaschilf. Diese Züchtung wird nur rund 1 Meter hoch und besticht zudem durch eine harmonische Wuchsform sowie besonders zahlreiche und hochattraktive silbrig-weiße Blütenrispen. Behauptet zumindest der Züchter.

Wie pflanze ich Chinaschilf im eigenen Garten?

Das ist eigentlich egal, denn die Staude ist pflegeleicht, robust, trockenresistent, bodentolerant, frosthart, kurz: auch für Gelegenheitsgärtner geeignet, die allein den Rückschnitt im Frühjahr nicht scheuen dürfen (und über Handschuhe verfügen müssen, um sich an den Blätterkanten nicht zu schneiden).

Entscheidender ist die Frage: Wann pflanzen Sie Chinaschilf? Am besten im April und am allerbesten nicht mehr ab August. Denn das Chinaschilf ist ein „Warm-Season-Gras”, wie es der globalisierte Botaniker nennt. Das bedeutet: Die Wurzelbildung startet spät, nämlich im Mai, und das Wachstum endet früh, nämlich im Juli. Anschließend sieht das Chinaschilf in der Blüte seiner Schönheit und wird in dieser Pracht in manchem Gartencenter angeboten (schlimmstenfalls als Elefantengras …). Wer es dann kauft, wird sich in vielen Fällen nicht lange im eigenen Garten daran erfreuen können, da es nicht anwachsen kann. Es lohnt sich also, im Mai unscheinbarere Exemplare zu erstehen, die Ihnen dann aber für die nächsten zehn Jahre und länger Freude bereiten werden.

Wer hätt’s gedacht?

Aus dem Chinaschilf wurde das Riesen-Chinaschilf gezüchtet: Miscanthus x giganteus wächst bis zu 6 Meter hoch! Die Hybride wird schon heute industriell angebaut und soll in Zukunft noch viel mehr Landwirte begeistern. Denn die Staude liefert beachtenswert viel Biomasse, und die Einsatzmöglichkeiten für das schnellwachsende, anspruchslose, nahezu schädlingsresistente, mit modifizierten Kartoffelpflanzmaschinen einzusetzende Gras sind vielfältig: Es dient als Baustoffzusatz für Spanplatten, Dämmstoffe und Lärmschutzwände, als Verstärkungsfaser in Kunststoffen, als Ölbindemittel, Tiereinstreu und Pflanzensubstrat.

Vor allem aber wird das Gras für die Verbrennung in Häcksel- und Pelletheizungen aufgearbeitet. Ein Hektar Riesen-Chinaschilf liefere so viel Heizenergie wie 8.000 Liter Heizöl, und das nachwachsend, rechnet die ›MEG vor, die „Internationale Vereinigung für Miscanthus und mehrjährige Energiegräser e.V.“ (es gibt keinen Verein, den es nicht gibt …).

Das Chinaschilf im Botanischen Garten Gütersloh jedoch wäre zum Verfeuern im Winter zu schade – dafür sind die raureifbedeckten Halme einfach ein zu schöner Anblick.



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