Geflecktes Knabenkraut

Geflecktes Knabenkraut

Bildhübscher Betrüger

Geflecktes Knabenkraut in voller Blüte ist zweifellos ein Hingucker. Aber Gärtnern gilt es als verwöhnter Bengel, Insekten als Schwindler und Pilzen als Schnorrer. Die Vorwürfe sind im Einzelnen ebenso hart wie zutreffend. Zur Verteidigung der Pflanze muss man ihre schwere Vergangenheit anführen: Die Menschen haben der Staude zweifach schwer zugesetzt, zum einen mit einem zweifelhaften Namen, zum anderen mit der Zerstörung ihres Lebensraums.

Woher stammt der Name „Geflecktes Knabenkraut“?

Wer möchte, kann in den beiden kugeligen Wurzelknollen, die für viele Knabenkraut-Arten charakteristisch ist, eine Ähnlichkeit mit Hoden entdecken. Zumindest der griechische Naturforscher Theophrastos musste spontan an männliche Genitalien denken, als er um 300 v. Chr. erstmals ein Knabenkraut (wenn auch nicht das Gefleckte) beschrieb. Er nannte es „Orchis“, nach dem griechischen Wort für „Hoden“. Auf diese Weise kam die ganze Pflanzenfamilie der Orchideen zu ihrem Namen.

Das Knabenkraut indes hatte noch Glück, dass der deutsche Volksmund nicht die direkte Übersetzung wählte, sonst würden wir in dieser Folge die „Hodenblume“ behandeln. Übrigens empfahl Theophrastos Frauen mit Kinderwunsch, die kräftigere der beiden Knollen zu verspeisen, um einen Jungen zu gebären. Die Erfolgsquote dieser Methode dürfte bei immerhin 50 Prozent gelegen haben.

Beim Anblick der Blattoberseiten des Gefleckten Knabenkrauts erübrigt sich die Frage nach der Herkunft des Artnamens: Das Laub ist mit zahlreichen dunklen Punkten übersät, so dass auch Nicht-Botaniker es als „gefleckt“ bezeichnen würden.

„Dactylorhiza maculata“ heißt die Pflanze indes unter den Gelehrten. Der Gattungsname setzt sich aus den griechischen Wörtern „dáctylos“ = Finger und „rhiza“ = Wurzel zusammen und bezieht sich auf die am Ende gefingerten Knollen dieser Gattung. Der lateinische Artname bedeutet übersetzt „fleckig, gefleckt“.

Woher stammt das Gefleckte Knabenkraut?

Das Gefleckte Knabenkraut kommt in ganz Eurasien vor. Die bevorzugten Lebensräume der Pflanze sind Moore, Sumpfwiesen, natürliche Bachläufe und andere Feuchtgebiete, deren Bestand durch land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Besiedlung und Verkehrsbauten stetig abnimmt. In Deutschland ist die Staude daher durch die Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt. Das bedeutet, sie darf weder gepflückt noch ausgegraben noch in irgendeiner Form gehandelt werden. Kurz: Nur gucken, nicht anfassen!

Wo finde ich Geflecktes Knabenkraut im Stadtpark Gütersloh?

Als Moorpflanze dort, wo es feucht ist: am Teich des Naturnahen Gartens innerhalb des Botanischen Gartens. Aber auch auf der Wiese der Sichtachse zwischen Dalke-Altarm und Großer Wiese.

Wie pflanze ich Geflecktes Knabenkraut im eigenen Garten?

Diese Pflanze ist eher etwas für Liebhaber, die bereit sind, einen knabenkrautgeeigneten Standort in ihren Garten zu integrieren, und dann umso stolzer sein dürfen, wenn im Juni/Juli die bewundernden Blicke der Nachbarn auf die lila-pinken Blütenstände gerichtet sind. Dieser Standort sollte aus torfiger, humoser Erde bestehen – was im Gütersloher Stadtgebiet nicht zwingend naturgegeben ist – und gerne an Gewässernähe liegen. Er sollte geschützt und darf sonnig sein, muss aber regelmäßig durchfeuchtet werden.

Kurz: Es gibt anspruchslosere Pflanzen. Aber mit Hauswurz allein locken sie auch keinen Ihrer Nachbarn hinterm Zaun hervor.

Wer hätt’s gedacht?

Nektar gegen Bestäubung – das ist gemeinhin der Deal unter Insekten und Pflanzen. Doch das Gefleckte Knabenkraut hält sich nicht daran. Es gehört zu den sogenannten Täuschblumen. Die Blüten locken Bienen, Käfer und andere Insekten an, die aber leer ausgehen: Die Staude spart sich die aufwändige Nektarbildung. Auf den Botendienst der Insekten will sie indes nicht verzichten: Sie platziert ein klebriges Pollenpaket so perfekt auf die Köpfe der Blütenbesucher, dass die Pollen in der nächsten Blüte direkt auf die Narbe treffen. Ohne Gegenleistung wird sie so bestäubt und kann Samen bilden.

Und mit diesem Samen hat es eine weitere orchideentypische Besonderheit auf sich. Er enthält kein Nährgewebe (anders als es z. B. einem Reiskorn mit der Stärke oder einer Leinsaat mit dem Öl zur Verfügung steht). Deshalb bildet das Gefleckte Knabenkraut als Keimling eine enge Lebensgemeinschaft mit einem Wurzelpilz, der den Samen mit Wasser  und Mineralien versorgt. Wobei die Wissenschaft noch rätselt, was der Nutzen für den Pilz bei dieser Partnerschaft ist. Am Ende ist das Gefleckte Knabenkraut nicht nur ein Betrüger, sondern auch ein Schmarotzer?! Aber zumindest ein bildhübscher, dem man solche Unartigkeiten leicht verzeiht …



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