Im Garten des letzten Cowboys
Endlose Weiten und nirgendwo Schatten – für die Siedler im Wilden Westen waren die großen Ebenen Amerikas eine Herausforderung. Mit ihren Planwagen bahnten sie sich den Weg durch z. T. meterhohe Präriegräser. Bestens angepasst wächst in dieser trockenen Steppenlandschaft die Rutenhirse. Systematisch wurde sie durch Nutzpflanzen verdrängt – bis sie selbst als solche entdeckt wurde. Zugleich ist sie eine überaus dekorative Zierpflanze. Der Bund deutscher Staudengärtner wählte sie zur ›„Staude des Jahres 2020“.
Woher stammt der Name „Rutenhirse“?
Die Rutenhirse gehört zur Süßgräser-Gattung der Hirsen. „Hirse“ kommt von einem indogermanischen Wort für „Sättigung, Nahrhaftigkeit“. Das passt insofern zur Rutenhirse, als dass diese in der Prärie tausende Generationen von Bisons ernährte, bevor die Siedler die Bisons fast ausrotteten und Mais-Soja-Schweine-Rindermast-Monokulturen anlegten.
Die Halme der Rutenhirse erreichen Wuchshöhen zwischen einem und zwei Meter und erinnern an lange, dünne, biegsame Zweige, eben Ruten.
Die spezielle Sorte, die im Botanischen Garten gepflanzt wurde, heißt ′Rotstrahlbusch′ – ihre Blattspitzen färben sich im Lauf des Sommers kupferrot. Die ebenfalls rot-braunen Rispen messen imposante 30 Zentimeter und sind besonders dekorativ.
Die Botaniker, zumindest solche mit einem Latinum in der Zeugnismappe, nennen die Rutenhirse „Panicum virgatum“. „Panicum“ war im alten Rom der Name verschiedener Hirsearten, „Panus“ ist lateinisch für „Hirsenrispe“ (nicht zu verwechseln mit Rispenhirse – die gibt es auch und entwickelt Rispenhirserispen. Ein Wort, mit dem Sie beim nächsten Galgenmännchen-Spiel garantiert gewinnen…). Die Artbezeichnung „virgatum“ kann man mit „rutengleich“ übersetzen.
Woher stammt die Rutenhirse?
Auch wenn die Steppe Nordamerikas heute großenteils landwirtschaftlich genutzt wird, ist Rutenhirse zwischen Kanada und Mexiko weit verbreitet. Denn das Präriegras ist extrem widerstandsfähig. Speziell Trockenheit kann ihm kaum etwas anhaben: Die Wurzeln einer ausgewachsenen Pflanze reichen bis zu vier Meter tief ins Erdreich.
Wo finde ich Rutenhirse im Botanischen Garten Gütersloh?
Der letzte Cowboy kommt aus Gütersloh – da fühlt sich die Rutenhirse auch ohne Prärie an der Dalke heimisch. Sie wächst in den Beeten am Rand der Wiese gegenüber dem Kugelahorn, zusammen mit anderen Süßgräsern wie Feder- und Reitgras. Ihre Überlebenskünste bei Trockenheit muss sie dort nicht unter Beweis stellen: Die jährliche Niederschlagsmenge von 7,60 Metern (gefühlt) bzw. 76 Zentimetern (wissenschaftlich gemessen) ist für sie mehr als ausreichend.
Wie pflanze ich Rutenhirse im eigenen Garten?
Mit Handschuhen, um schmerzhafte Schnitte durch die Blattkanten zu vermeiden. Darüber hinaus kommt es auf Ihren Anspruch an: Theoretisch brauchen Sie nichts weiter zu tun; die Rutenhirse hat die europäischen Siedler in Amerika überlebt, die wird auch in Ihrem Garten irgendwie zurechtkommen. Streben Sie hingegen eine besonders große, aufrecht wachsende, intensiv gefärbte, ja stilvolle Rutenhirse als optischen Anziehungspunkt an, sollten Sie Optimalbedingungen schaffen. Dazu zählen viel Sonne, ein wenig (!) Kompost und radikaler Rückschnitt im Frühjahr.
Wer hätt’s gedacht?
Lange Jahre wussten die amerikanischen Farmer mit Präriegräsern nichts Besseres anzufangen, als sie für ihre Maiskulturen als natürlichen Dünger unterzupflügen. Mittlerweile bewirtschaften einige von ihnen riesige Rutenhirsefelder. Denn das Süßgras ist ein hervorragender Bioenergie-Lieferant und Rohstoff für Biosprit, biologisch abbaubare Kunststoffe oder Brennstoff-Pellets. Es liefert viel Biomasse: Bis zu 700 Pflanzen kann man auf 1 qm wachsen lassen.
Zugleich ist Rutenhirse robust, pflegeleicht und damit günstig anzubauen. Da ihre tiefen Wurzeln sandige Böden selbst dann binden, wenn die Pflanze vertrocknet ist, wird sie zudem beim Deichbau und zum Schutz vor Bodenerosion eingesetzt.
Das unterscheidet sie letztlich trotz gewisser Ähnlichkeit der Silhouette von manchem „Germany´s-next-Topmodel“: Rutenhirse kann mehr als nur hübsch aussehen. Für den Botanischen Garten Gütersloh ist sie eigentlich überqualifiziert – dort steht sie allein zur Zierde.
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