Robinie

Robinie

Ehre, wem Ehre gebührt

Die Robinie ist der ›Baum des Jahres 2020. Im Stadtpark Gütersloh wachsen mehrere Exemplare. Vielleicht hat sich der Baum mit der attraktiven Rinde auch in Ihrem Garten längst angesiedelt? Warum Sie nur 30 Jahre warten müssen, um es zu erfahren.

Woher stammt der Name?

Viele Pflanzen erhielten ihren botanischen und manchmal auch ihren deutschen Namen nach mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten (um ehrlich zu sein: Unter Botanikern mögen sie allesamt sehr bekannt sein, der normale Mensch hat noch nie von ihnen gehört). Zu diesen Pflanzen zählen z. B. Fuchsien (nach Leonhart Fuchs), Funkien (nach Heinrich Funck), Dahlien (nach Andreas Dahl) oder Begonien (nach Michel Bégon).

Was den Laien verwundert, nicht aber den Leser unserer Pflanzenporträts: 99% dieser Persönlichkeiten haben mit der jeweiligen Pflanze überhaupt nichts am Hut! Zu der Ehre, als Namensgeber für eine Pflanzenart zu fungieren, kamen sie meist aus einem von drei Gründen: allgemeine Verdienste um die Wissenschaften, enge Freundschaft mit dem Botaniker, der den Namen vergab, und nicht zuletzt die Tatsache, dass bei mehr als 300.000 Pflanzenarten auch irgendwann die Ideen für sinnvollere Benennungen ausgehen.

Die Robinie nun gehört – vielleicht – zu jenem 1%, wo die Ehre demjenigen zuteil wird, der sie tatsächlich verdient: ›Jean Robin. Der Apotheker, Botaniker und Hofgärtner erhielt Ende des 16. Jahrhunderts von der medizinischen Fakultät der Universität Paris einen traumhaften Auftrag: die Anlage eines botanischen Gartens. Weil er ein Faible für exotische Blumen und Gehölze hatte, besorgte er sich aus den französischen Kolonien in Nordamerika verschiedene Samen. Angeblich waren auch Robiniensamen darunter – Robin mag 1601 der erste gewesen sein, der den Baum in Europa kultivierte. Die beiden ältesten Bäume von Paris sollen zwei von Jean Robin gepflanzte Robinien sein. Eine wächst im ›Jardin des Plantes, dem Botanischen Garten von Paris, die andere unweit der Kathedrale Notre-Dame.

Schriftlich belegt ist das alles leider nicht. Wer sich nicht auf Hörensagen, sondern auf Inventarlisten verlassen will, landet beim britischen Botaniker ›John Tradescant der Ältere. Der ließ 1634 nachweislich eine Robinie in seinem Garten wachsen und schrieb das, anders als Robin, auf. So gesehen müssten die Robinien eigentlich Tradescantinien heißen …

Der wissenschaftliche Name lautet Robinia pseudoacacia. Der Artname bedeutet „Scheinakazie“. Tatsächlich erinnert die Robinie mit ihren gefiederten Blätter und ihren Dornen an Akazien, mit denen sie aber nur entfernt verwandt sind. „Scheinakazie“ klingt wenig schmeichelhaft, so als gebe sich der Baum als etwas aus, dass er nicht ist. Dabei trägt er diesen Namen nur, weil die Europäer die Akazie kannten, bevor sie eine Robinie sahen. In einer gerechten Welt würde die Akazie zum Ausgleich als Scheinrobinie bezeichnet.

Woher stammt die Robinie?

Aus den Appalachen, jenem bewaldeten Mittelgebirge im östlichen Nordamerika, das sich von Kanada bis nach Alabama zieht. Einmal in Europa angekommen, breitete sich die Pflanze rasend schnell aus. Das lag zum einen am Menschen, der den Baum als Holzlieferanten und – wegen der attraktiven Blütenrispen im Mai/Juni und der dekorativen Rinde – als Ziergehölz pflanzte. Zum anderen verwildert die Robinie rasch und verbreitete sich, ausgehend von Frankreich, bis nach Ostasien.

Wo finde ich Robinien im Stadtpark Gütersloh?

An mehreren Stellen. Achten Sie auf die Rinde – im Baumbestand zwischen Großer Wiese und Eiswiese werden sie einige Exemplare entdecken.

Wie pflanze ich Robinien im eigenen Garten?

Problemlos. Die Robinie verbreitete sich auch deshalb so rasch und weit, weil sie anspruchslos, bodentolerant, widerstandsfähig, auch als junger Baum frosthart und recht schnellwachsend ist. Allein schattige Standorte und feuchte Böden mögen die Bäume nicht, was im Umkehrschluss heißt, dass sie ohne höheren Nachbarn im trockenen Sennesand bestens gedeihen.

Wer hätt‘s gedacht?

Auf den ersten Blick ist die Ausbreitungsstrategie der Robinie ein Flopp. Sie verbreitet ihre Samen durch den Wind. Die Samen sind dabei in Hülsen geschützt – die sie allerdings so schwer machen, dass sie nach höchstens 100 Meter wieder zu Boden fallen. Wäre das alles, was die Robinie zu bieten hat, hätte sie es wahrscheinlich nie von Paris nach Pavenstädt, geschweige denn nach Peking geschafft. Doch sie hat gleich mehrere Strategien, mit denen sie diesen Nachteil ausgleicht.

Erstens ist sie „frühreif”: Robinien blühen und fruchten bereits im sechsten Jahr, was ihr einen Zeitvorteil gegenüber Konkurrenzpflanzen beschert.

Zweitens haben die Samen ein Mindeshaltbarkeitsdatum, das jeden vakuumverpackten Bundeswehrkeks neidisch werden lässt. Sie sind rund drei Jahrzehnte keimfähig! Heißt: Vielleicht schlummern in Ihrem Garten bereits seit 15 Jahren Samen für einen kompletten Robinienwald, die aber erst in weiteren 15 Jahren anfangen zu keimen – lassen Sie sich überraschen!

Und drittens kann sich der Baum auch über Wurzelschösslinge unterirdisch ausbreiten. Das tut er vor allem dann, wenn durch äußere Einflüsse wie Brände oder Rodung die oberirdischen Varianten wegfallen.

Mit diesen drei Strategien gelingt es dem Baum besonders gut, freie Flächen als Pionier zu besiedeln. Rund anderthalb Jahrzehnte dominiert er dann das Areal, bevor andere Bäume höher wachsen und ihn in den Schatten stellen. Im Stadtpark Gütersloh indes haben die Stadtgärtner ein Auge darauf, dass die Große Wiese robinienfrei bleibt.



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