Pilze im Park

von Gunnar Waesch und Ralf Heese, ›Pilzfreunde OWL

Der Gütersloher Stadtpark ist ein wahres Kleinod am Rande der Innenstadt. Mit seinen weitläufigen Rasenflächen und dem schönen Baumbestand lädt er Menschen zum Verweilen und Erholen ein. Doch auch die Natur hat hier ihren Platz: Es gibt viel zu entdecken: Pflanzen, Tiere und … Pilze!

Pilze sind Fadenwesen. Mikroskopisch feine Pilzfäden (Hyphen) durchziehen verschiedenste Substrate, z. B. den Erdboden oder Holz. Diese verzweigen sich und bilden in ihrer Gesamtheit ein Geflecht (Myzel), das den eigentlichen Pilzorganismus darstellt. Unter günstigen Bedingungen bildet das Myzel Fruchtkörper als Vermehrungsorgane aus. Diese Fruchtkörper sind nichts anderes als das, was wir landläufig unter „Pilzen“ verstehen. Sie bilden Millionen winziger Sporen, die in den meisten Fällen mit dem Wind ausgebreitet werden und so der Vermehrung des Pilzes dienen.

Ein typischer Pilz mit Lamellen – ein Ackerling?

Schaut man genau hin, kann man im Stadtpark Gütersloh während des ganzen Jahres Pilze finden. Hauptsaison ist im Spätsommer und Herbst, wenn es noch warm genug ist und gleichzeitig ausreichend geregnet hat.

Ökologische Nischen

Pilze übernehmen verschiedenste Aufgaben in der Natur, in deren Beziehungsnetzwerk sie eingebunden und an die sie angepasst sind. Man spricht von ökologischen Nischen.

Aus dem Buch „Die Welt der Pilze”, 2. erweiterte Auflage, Weissdorn-Verlag, Jena. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Heinrich Dörfelt, Dederstedt

Pilze sind für ihre Ernährung auf fremdes organisches Material angewiesen. Sie betreiben im Gegensatz zu den Pflanzen keine ›Photosynthese mit Hilfe des Blattgrüns. Bezüglich dieser ›heterotrophen Ernährungsweise und weiterer Eigenschaften haben sie einige Gemeinsamkeiten mit den Tieren, denen sie entwicklungsgeschichtlich näher stehen als den Pflanzen.

Zersetzer, Parasiten, Symbionten

Manche zersetzen Laub und andere tote organische Substanz. Man bezeichnet Pilze mit dieser Lebensweise als Zersetzer (›Saprobionten). Andere greifen lebende Organismen – Pflanzen, Tiere, Menschen – an und schädigen sie: Parasiten. Einige Pilze bilden mit bestimmten Pflanzen eine Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen, eine Symbiose. Das ›Myzel etlicher Pilze steht zum Beispiel in Kontakt mit den Feinwurzeln unserer Bäume: Der Baum liefert dem Pilz Zuckerstoffe aus der Photosynthese, der Pilz dem Baum Wasser und Nährsalze.

Nelkenschwindling, Marasmius oreades: ein typisches Beispiel für einen Zersetzer (Saprobionten) auf Rasen

Vielfalt an Formen und Farben

Unüberschaubar ist im Reich der Pilze die Vielfalt der Formen und Farben der Fruchtkörper, die sich im Laufe der Evolution als Anpassung an die Umwelt entwickelt haben. Beispiele für die verschiedene Lebensweisen der Pilze und ihre Formenvielfalt findet man im Stadtpark Gütersloh. Manchmal sind gerade die farblich unauffälligen Arten interessant, weil sie über eine raffinierte Strategie der Vermehrung verfügen.

So wachsen in den Gebüschen etwas abseits der Wege Erdsterne. Die Fruchtkörper des Halskrausen-Erdsterns sind zwar mit einem Durchmesser von ca. 7 cm relativ groß, durch ihre bräunliche Farbe aber im Laub gut getarnt und oft erst auf den zweiten Blick zu sehen. Seine Sporen bildet er im Inneren einer Kugel. Die äußere Hülle dieser Kugel ist sternförmig ausgebreitet. Eine weitere Hülle bildet eine Ausstülpung: die namengebende Halskrause.

Halskrausen-Erdstern, Geastrum triplex

Der Halskrausen-Erdstern ist zunächst birnenförmig und wächst teils unterirdisch. In der weiteren Entwicklung reißt die äußere Haut sternförmig auf, die entstehenden Lappen biegen sich um und heben den Fruchtkörper über den Erdboden. Das kugelförmige Innere – in dem Millionen von Sporen verborgen sind – und der namensgebende Kragen werden sichtbar. Treffen nun Regentropfen auf die Kugel oder tritt ein Tier darauf, wird das Sporenpulver freigesetzt:

Aus dem Buch „Die Welt der Pilze”, 2. erweiterte Auflage, Weissdorn-Verlag, Jena. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Heinrich Dörfelt, Dederstedt

Das Stechpalmen-Deckelbecherchen (Trochila ilicina) ist ein winziger Pilz, der ebenfalls organische Substanz abbaut. Es wächst nur auf abgestorbenen Blättern der Stechpalme und zersetzt sie allmählich. Ohne Lupe ist es kaum zu erkennen: Die Fruchtkörper haben einen Durchmesser von ca. 0,3 – 0,5 mm. Im Stadtpark Gütersloh kommt es vereinzelt dort vor, wo auch die Stechpalme wächst und ihre Blätter liegen.

Stechpalmen-Deckelbecherchen (Trochila ilicina),
von links nach rechts: Blatt der Stechpalme (Ilex aquifolium) mit winzigen Fruchtkörpern / Fruchtkörper (leicht) vergrößert / Fruchtkörper im Detail

Parasiten

Neben Pilzen, die auf abgestorbenen Pflanzenteilen wachsen, kommen manche an lebenden Bäumen vor. Sie schädigen die Bäume und können sie zum Absterben bringen: Es sind sogenannte Parasiten. Ein typisches Beispiel ist der Hallimasch (Armillaria spec.), der auch im Stadtpark vorkommt. Oft sieht es so aus, als ob der Hallimasch direkt auf den Rasenflächen wachsen würde. In diesen Fällen befinden sich aber Wurzeln oder Holz im Boden. Der Hallimasch hat einen braunen, schuppigen Hut. Der Stiel hat einen Ring. Das Sporenpulver ist weiß. Die Farbe des Sporenpulvers ist ein wichtiges Merkmal, um Pilze zu unterscheiden.

Hallimasch, Armillaria spec.

Symbiosen mit Bäumen

Eine weitere Gruppe von Pilzen bildet mit Bäumen eine Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen, auch Symbiose genannt. Dazu muss man wissen, dass sich der eigentliche Pilzorganismus im Boden befindet und aus sehr feinen, fadenähnlichen Strukturen besteht, dem Mycel. Bei geeigneten Witterungsbedingungen bildet das Mycel die Fruchtkörper, die man als Pilze wahrnimmt. Das Mycel umschließt die Wurzeln bestimmter Baumarten. So bekommt der Pilz vom Baum Kohlehydrate. Der Baum profitiert dadurch, dass das Mycel seine Wurzeloberfläche vergrößert. Wasser und im Boden gelöste Nährstoffe kann er nun viel besser aufnehmen.

Der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) ist auf solche Lebensgemeinschaften mit Bäumen angewiesen: Er bevorzugt Eichen. Und die gibt es im Stadtpark Gütersloh reichlich. Er ist tödlich giftig. Deshalb sollte ihn jeder Sammler und jede Sammlerin von Speisepilzen sehr genau kennen!

Grüner Knollenblätterpilz, Amanita phalloides: tödlich giftig!

Wohl mehr als 100 Arten

Wie viele Pilzarten im Gütersloher Stadtpark vorkommen, kann man erst nach gründlicher Suche und intensiver Bestimmungsarbeit sagen. Die meisten Pilze sind ohne detaillierte Untersuchung nicht sicher zu bestimmen. Dazu sind zahlreiche Begehungen zu unterschiedlichen Jahreszeiten und über viele Jahre hinweg erforderlich. Es liegen demnach noch keine endgültigen Ergebnisse vor; vermuten lassen sich aber deutlich über 100 Arten.

Exkursion der Pilzfreunde OWL

Für 2021 planen die Mitglieder der Pilzfreunde OWL (›www.pilzfreunde-owl.de) eine Exkursion in den Stadtpark. Der Termin kann über das ›Kontaktformular der Website erfragt werden.

Bovist
Ein noch nicht ausgereifter, junger Bovist im Querschnitt. Die Sporen werden im Inneren gebildet.

Pilzbestände schützen

Viele Pilzarten sind heute in ihrem Bestand gefährdet. Das Sammeln von Speisepilzen ist dabei eine untergeordnete Ursache. Vielmehr ist es der Verlust an geeigneten, z. T. speziellen Lebensräumen und durch Menschen gemachte Umwelteinflüsse. Auch für den Stadtpark Gütersloh ist daher aus Sicht aller, die sich für Pilze interessieren, zu wünschen: Verzicht auf schwerwiegende Veränderungen, Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutzmittel, vielfältige Standorte erhalten und schaffen.

Alle Fotos auf dieser Seite wurden im Stadtpark Gütersloh aufgenommen. So nicht anders angegeben, stammen sie von Dr. Gunnar Waesch.

Foto: Martina Perl