Marmormuster dank Madonnenmilch
Die Mariendistel gehört mit einer Wuchshöhe von bis zu 1,50 Metern zu den größten Disteln, mit ihrem außergewöhnlichen Blattschmuck zu den schönsten und – wie Erfahrung und wissenschaftliche Studien gleichermaßen zeigen – zu den heilkräftigsten.
Woher stammt der Name „Mariendistel“?
Die Legende will es, dass Maria und Josef auf ihrer Flucht vor Herodes nach Ägypten eine Pause einlegen mussten, weil der kleine Jesus vor lauter Hunger zu plärren begonnen hatte (der genaue Wortlaut der Legende ist ein anderer, aber wenn überhaupt ein Funken Wahrheit in der Story liegen soll, dann wird auch das mit dem Plärren stimmen). Maria setzte sich zum Stillen auf einen Stein (scheint ein unwichtiges Detail zu sein, aber da Disteln gut auf steinigen Böden gedeihen, ist das Bild, das die Legende hier zeichnet, für den Botaniker stimmig).
Wie Blagen nun mal so sind – und auch der Gottessohn war mal klein –, der Säugling hielt nicht still. Etwas von der Madonnenmilch ging daneben und tropfte zu Boden, direkt auf eine Distel. Zur Erinnerung an die göttliche Begegnung beschloss die Pflanze, den Weg der herabfließenden Muttermilch für immer in ihren Blättern festzuhalten. Bis heute haben ihre Nachfahren daher ein grün-weiß marmoriertes Blattmuster, das aussieht, als sei gerade Milch über die Pflanze gegossen worden.
Der botanische Name der Mariendistel lautet „Sibylum marianum“, zu deutsch „Marienquaste“. Die Quaste spielt auf die fransige Form der Blüte an.
Woher stammt die Mariendistel?
Aus dem Mittelmeerraum (Punkt für die Legende!). Im Mittelalter wurde sie als Heilpflanze in vielen Klostergärten kultiviert. In der globalisierten Welt von heute ernten Bauern für die Pharmaindustrie riesige Distelfelder in Ungarn, China und Argentinien ab. Doch nicht überall ist die Pflanze so begehrt. In vielen Ländern Nord- und Südamerikas oder auch in Australien wird sie als invasive Art betrachtet, die das heimische Ökosystem durcheinanderbringt.
Wo finde ich Mariendistel im Botanischen Garten Gütersloh?
Im Apothekergarten. Ihre Samen enthalten den Wirkstoff Silymarin, der bei Verdauungsbeschwerden, Leberzirrhose und Vergiftungen eingesetzt wird. Die Heilkraft der Pflanze, in der Antike und im Mittelalter wohlbekannt, war im Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten. Erst der Hammer Arzt ›Johann Gottfried Rademacher (1772–1850) brachte sie mit seinen Schriften zurück ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit.
Rademacher hatte ein eigenes medizinisches Behandlungskonzept entwickelt: die Erfahrungsheillehre. Er pfiff auf medizinische Theorien und ermittelte die passende Arznei für seine Patienten empirisch, das heißt durch Versuch und Probieren. Dabei erkannte er, dass sich Leberleiden hervorragend mit Mariendistel-Extrakten behandeln ließen (beim wievielten Versuch, ist nicht überliefert). Seine Erfahrungsheillehre ist mit der modernen Schulmedizin nicht wirklich vereinbar, die von ihm erkannte lebertherapeutische Wirksamkeit der Mariendistel gleichwohl wissenschaftlich erwiesen.
Wie pflanze ich Mariendisteln im eigenen Garten?
Mariendisteln sieht man eher selten in heimischen Gärten, dabei sind wegen ihres ungewöhnlichen Blattwerks und ihren großen Blüten, die zwischen Mai und August zu bewundern sind, äußerst dekorativ. Den Standorten ihrer ursprünglichen Heimat entsprechend brauchen sie keinen Dünger, wenig Wasser, aber viel Sonne.
Über die Vermehrung muss man sich keine Gedanken machen: Wer erst einmal Mariendisteln im Garten hat, wird in den nächsten Jahren immer mehr Mariendisteln sein Eigen nennen. Die Samen bilden Haarkronen, mit deren Hilfe sie – wie bei einer „Pusteblume“ – in alle Ecken des Gartens wehen. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, muss jeder Gartenbesitzer für sich entscheiden.
Wer hätt’s gedacht?
Mariendisteln kommen hervorragend mit kargen, sandigen, trockenen, steinigen Böden zurecht. Sie besiedeln Flächen, die Fachleute als „Ruderalstandorte“ (von lat. „ruderis“ = Schutt) bezeichnen – Lebensräume, die durch Menschenhand geschaffen, aber nicht als solche geplant waren. Wer hierzulande wilde Mariendisteln sucht, findet sie am ehesten auf Schutthalden, Schotterplätzen, Deponien, Brachflächen, Bergbauhalden, Aufschüttungen nach Baumaßnahmen, aber auch an Böschungen, unbefestigten Wegen und Wegrändern.
Noch leichter findet man allerdings die kultivierten Exemplare – willkommen im Apothekergarten!
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