Krim-Linde

Hundertfacher Hummelmord: angeklagt und freigesprochen

Die Krim-Linde im Botanischen Garten Gütersloh wäre in früheren Jahren abgeholzt worden. Man machte sie verantwortlich für den Tod Tausender Hummeln. Heute weiß man, woran die Insekten wirklich starben.

Woher stammt der Name „Krim-Linde“?

Das germanische Wort „lind“ für „weich, sanft“ findet sich in zahlreichen Frauennamen wie Diet-, Ger-, Sieg- oder Rosalinde wieder. Wahrscheinlich verband man dieses Attribut mit der Linde, weil sie leichtes, leicht zu bearbeitendes Holz liefert und ihr Bast so weich und biegsam ist, dass unserer Vorfahren Gürtel daraus flochten.

Sie möchten von zehn Sprachforschern elf Meinungen einholen und zusehen, wie sie sich an die Köppe kriegen? Dann fragen Sie in die Linguisten-Runde, warum die Linde wissenschaftlich „Tilia“ heißt. Es mangelt nicht an Theorien, auf welches Ur-Wort der Griechen, Armenier oder gar Skythen die Lautkombination zurückgeht. Fest steht allein: Bei den Römern hieß die Linde „Tilia“, und deshalb finden Sie die Krim-Linde im Pflanzenlexikon unter  „Tilia × euchlora“.

Die Artbezeichnung „euchlora“ bedeutet dunkelgrün (vom griechischen „eu“ = wirklich und „chloros“ = grün) und bezieht sich auf die intensive Färbung der Krim-Lindenblätter auf deren Oberseite. Die Unterseite ist hellgrün.

Krim-Linde

Woher stammt die Krim-Linde?

Anders als Champagner, der zwingend aus der Champagne kommen muss, um sich so nennen zu dürfen, muss Krimsekt nicht auf der ›Krim hergestellt worden sein – die Bezeichnung ist rechtlich nicht geschützt. Auch die Krim-Linde hat nur vielleicht etwas mit der Halbinsel im Schwarzen Meer zu tun. Eventuell entstand sie dort 1860 als natürliche, zufällige Kreuzung der beiden Arten Winter- und Schwarzmeer-Linde, vielleicht aber auch im Kaukasus.

Fest steht, dass die Brüder Lorenz und John Cornelius Booth sie in Deutschland kultivierten und europaweit verbreiteten. Die beiden kennen Sie nicht? Falls Sie für die nächste Party eine Angeber-Info aus dem Handbuch des unnützen Wissens brauchen: Mehr als 5.000 Fußballfelder groß (3.600 Hektar) ist das größte geschlossene Baumschulgebiet der Welt in Pinneberg bei Hamburg, bewirtschaftet von über 300 Betrieben. Die Keimzelle dieser Baumschul-Metropolregion war die Fa. Booth & Söhne, in 3. Generation geleitet von Lorenz und John.

Die Booths waren im 19. Jahrhundert für die Bepflanzung mehrer Villenkolonien und Alleen besonders in Berlin verantwortlich, wo auch die Krim-Linde eine neue Heimat fand. Sie stellte sich als ausgesprochen widerstandsfähig heraus und trotzt bis heute Blattlausbefall und Hundeurin ebenso wie Streusalz und Autoabgasen. Deshalb verwenden die Städte sie gerne als Straßenbaum. Die Sommerlinde, der traditionelle Baum in heimischen Dörfern, ist unter diesen Stressbedingungen längst nicht mehr konkurrenzfähig.

Wo finde ich eine Krim-Linde im Stadtpark Gütersloh?

Fünf Exemplare wachsen in der Straße „Am Stadtgarten“.

Wie pflanze ich eine Krim-Linde im eigenen Garten?

Die Krim-Linde liebt ein sonniges Plätzchen. Wer sie in Trockenphasen gut wässert, erhält einen zwar langsam wachsenden, aber am Ende doch 15 bis 20 Meter großen Baum.

Wer hätt’s gedacht?

Schon in den 1920er Jahren fanden Imker immer wieder Hunderte tote Hummeln unter Winter- und Krim-Linden, ohne dass man eine Erklärung für das Phänomen fand. Ende der 1970er Jahre waren sich die Wissenschaftler dann sicher: Der Nektar der fremdländischen Linden enthalte Mannose, einen Zucker, der für Hummeln giftig ist. Die Presse titulierte die Krim-Linden als „Todesbäume“ und „Hummelmörder“. Stadträte und Gartenämter ließen zum Hummelschutz Bäume fällen, u. a. in Bielefeld.

Doch so gut gemeint die Aktion auch war, die Bäume waren unschuldig. Tatsächlich verhungern die Hummeln. Wie das? Ende Juli wird die Nahrung für Hummeln knapp. Dann blüht die Krim-Linde, später als andere Linden, wenn das Nektarangebot schon sehr gering ist. Die bereits geschwächten Hummeln machen sich an den verbleibenden Nektarquellen selbst Konkurrenz.

Der Nahrungsmangel betrifft prinzipiell auch andere Insekten, doch anders als z. B. Honigbienen legen Hummeln kaum Vorräte an. Außerdem sind sie auf spezielle Pflanzen – wie die Krim-Linde – spezialisiert und gewöhnen sich in der verbleibenden Zeit nicht mehr an neue.

Schuld am Massentod der Hummeln sind also nicht die Krim-Linden, sondern die Versiegelung der Landschaft und unsere immer eintöniger gestalteten Gärten. Wie man sein Grundstück insektenfreundlich bepflanzen kann, zeigt ein Ausflug in den Naturnahen Garten des Botanischen Gartens Gütersloh.



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