Giftige Schönheiten
Herbstzeitlose verzieren den Garten mit Farbtupfern, wenn alles andere schon verblüht ist. Die Blumen geben sich klein und zierlich, blühen in unschuldigem Zartrosa-Violett – und können doch den stärksten Mann ins Jenseits befördern. Schön und gefährlich zugleich, verführerisch und giftig, in jedem Wortsinn atemberaubend: Die Herbstzeitlose ist die Femme fatale im Blumenbeet …
Woher stammt der Name „Herbstzeitose“?
Die Herbstzeitlose blüht z. T. bis in den November hinein als eine der letzten Blumen im Jahresverlauf. Sie kündigt die Herbstzeit an bzw. „lost“ sie, von althochdeutsch „losen“ = vorhersagen. Andere Trivialnamen wie Giftkrokus, Leichenblume, Hennegift oder Teufelsbrot deuten an, dass nicht nur die Blütezeit charakteristisch für die Pflanze ist.
Die botanische Bezeichnung „Colchicum autumnale“ ersann ›Carl von Linné 1753. Den Gattungsnamen wählte er nach der antiken Landschaft Kolchis am Schwarzen Meer, heute zu Georgien gehörend. Dies war die Heimat der sagenumwobenen ›Medea. Die zauberkundige Giftmischerin braute der Legende nach einen Verjüngungstrank für ihren Schwiegervater Äson. Von dem brisanten Gebräu fielen einige Tropfen auf die Erde, wo fortan Herbstzeitlose wuchsen – in jugendlich-frischem Rosa blühend, aber im Inneren den Tod beherbergend …
Die Artbezeichnung „autumnale“ ist unspektakulärer: autumnus heißt „Herbst“.
Woher stammen die Herbstzeitlosen?
Von Südengland über Norditalien bis in die Westukraine zieht sich das Verbreitungsgebiet der Herbstzeitlosen quer durch Europa.
Wo finde ich Herbstzeitlose im Botanischen Garten Gütersloh?
Wie schon Paracelsus sagte: Die Dosis macht das Gift. So wird Colchicin in geringsten Dosen zur Behandlung von Gicht verwendet. Als Heilpflanze findet man Herbstzeitlose daher im Apothekergarten.
Wie pflanze ich Herbstzeitlose im eigenen Garten?
Vorsichtig – und wenn kleine Kinder dort spielen, gar nicht. Herbstzeitlose sind giftig, also: so richtig giftig. Blüten, Samen, Knolle, Blätter: Alle Pflanzenteile enthalten das nach der Herbstzeitlosen benannte Colchicin. Doch nicht nur Kinder sind gefährdet.
Ein Fall aus der Praxis: Ein kerngesunder Mann will kerngesund bleiben und bereitet sich zu diesem Zweck einen Bärlauchsalat zu. Die Zutaten: selbstgepflückt. Darin enthalten: 60 Gramm Herbstzeitlosen-Blätter, die gemeinerweise wie Bärlauch aussehen. Noch gemeiner: Die Latenzzeit, also die Zeit, bis das Gift seine Wirkung zeigt, ist relativ lang. Als nach sechs Stunden Schluckbeschwerden auftreten, bringt der Mann diese nicht mehr in Verbindung mit dem Salat. Erst nach Lähmungserscheinungen begibt er sich zwei weitere Stunden später in die Klinik, wo er in kürzester Zeit an Atemlähmung stirbt, ohne dass die Ärzte überhaupt die Möglichkeit gehabt hätten, eine Colchicin-Vergiftung zu diagnostizieren.
Schon die Dosis in Milch von Tieren, die Herbstzeitlose gefressen haben und wegen der Latenzzeit noch nicht erkrankt sind, kann zu Vergiftungserscheinungen führen. Jedes Jahr kommt es in Deutschland etwa zu sechs nachgewiesenen Vergiftungen, eine davon verläuft tödlich.
Zugegeben, jetzt wissen Sie immer noch nicht, wie sie die Pflanzen pflanzen, aber vielleicht, ob sie es überhaupt wollen. Falls ja: sonnigen, windgeschützten Standort suchen, Boden feucht halten (so Ihnen das Gütersloher Wetter diese Arbeit nicht ohnehin abnimmt), Düngen unnötig. Falls nein: Herbstkrokusse sind die ungiftige Alternative zu Herbstzeitlosen.
Wer hätt’s gedacht?
Man will der Pflanze ja keinen Vorsatz unterstellen, aber ihr Blühverhalten ist nur als perfide zu bezeichnen. Wie beschrieben, ähneln ihre Blätter denen des essbaren Bärlauchs. Die Blüten der beiden Pflanzen sind völlig verschieden, was Verwechslungen und Vergiftungen ausschlösse – wenn die Herbstzeitlose Blätter und Blüten gleichzeitig zeigen würde. Tut sie aber nicht: Sprießen im Frühling ihre Blätter, trägt sie keine Blüten, doch zum Herbst sterben die Blätter ab und sie blüht blattlos – was ihr weitere Trivialnamen (und zwar sehr triviale Trivialnamen) wie Nackerte Jungfer, Nacktarsch oder Nackthure eingebracht hat.
Es gibt wohl kaum eine Schönheit, die derart übel beleumundet ist …
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