Flügel-Spindelstrauch

Flügel-Spindelstrauch

Mit Flügeln, aber ohne Nymphen

Seine grün-gelben Blüten im Mai und Juni: klein und unscheinbar. Seine Früchte im September: leider giftig. Seine Wirkung im Herbst: phänomenal. Der Flügel-Spindelstrauch gehört wegen der rosa-, orange- oder einfach nur leuchtend roten Herbstfärbung seiner Blätter zu den beliebtesten exotischen Ziersträuchern in unseren Gärten. Im Winter gibt er sogar noch eine Zugabe. Dann hat er zwar das Laub abgeworfen, doch genau dieser Umstand ermöglicht den freien Blick auf seine ungewöhnlichen vierkantigen Zweige.

Woher stammen die Namen „Flügel-Spindelstrauch“ und „Pfaffenhütchen“?

Vielen Gartenbesitzern wird der Flügel-Spindelstrauch eher unter seinem volkstümlichen, etwas despektierlichen Namen „Pfaffenhütchen“ bekannt sein. Diese Bezeichnung erhielt er wegen der Form und der Farbe seiner roten Blüten, die an ein ›Birett erinnern, die Kopfbedeckung katholischer Kardinäle.

Ihren seriöseren deutschen Namen trägt die Gattung der Spindelsträucher, weil das Holz mancher Arten in früheren Zeiten zur Herstellung von Spindeln verwendet wurde. Das Besondere an vielen Spindelstrauch-Arten ist jedoch, dass sie an ihren Zweigen auffällige Korkleisten bilden. Am ausgeprägtesten ist dieses Phänomen beim Flügel-Spindelstrauch, dessen besonders hohen „Flügel“ zum Namensbestandteil wurden – so auch beim alternativen Namen Korkflügelstrauch.

Im englischen Sprachraum ist die Pflanze wegen der Herbstfärbung ihres Laubs auch als „burning bush“ bekannt. Zu Recht, es gibt nur wenige Sträucher, die hinsichtlich der Leuchtkraft mit der Flügel-Spindelstrauch konkurrieren können.

Sein botanischer Name „Euonymus alatus“ heißt, kurz und frei übersetzt, „geflügelter Unheilverkünder“ – die Lateiner nahmen ihm die Giftigkeit seiner Früchte übel.

Woher stammt der Flügel-Spindelstrauch?

Ursprünglich aus Ostasien. Um 1860 gelangten die ersten Exemplare aus China, Japan und Korea in die westliche Welt. Wegen seines Rindenschmucks und der dekorativen Laubfärbung wurde der Flügel-Spindelstrauch als Zierpflanze schnell ein Exportschlager für Gärten in Europa und Nordamerika.

Dort wird sein Vorkommen heute ganz unterschiedlich beurteilt. Die britische ›Royal Horticultural Society empfiehlt ihren Mitgliedern ausdrücklich, Flügel-Spindelsträucher zu pflanzen. Auf der anderes Seite des Atlantiks appelliert der amerikanische ›National Park Service an alle Gartenbesitzer, auf eine Pflanzung zu verzichten. Amerikanische Gartenfreunde sollten stattdessen auf einheimische Sträucher setzen (als Ersatz schlägt der NPS konkret den Gezähnten Schneeball vor). In drei US-Bundesstaaten wird die Pflanze als unerwünschte invasive Art geführt, dort ist der Handel mit ihr verboten.

Flügel-Spindelstrauch

Wo finde ich einen Flügel-Spindelstrauch im Botanischen Garten Gütersloh?

Wenn Sie den Botanischen Garten vom Eingang an der Park-/Ecke Badstraße betreten, gleich rechts abbiegen – er steht gegenüber der Hyazinthenwiese neben den Dickmännchen.

Wie pflanze ich einen Flügel-Spindelstrauch im eigenen Garten?

Seine geringen Ansprüche an Boden, Standort und Pflege machen den Flügel-Spindelstrauch auch für Gartenbesitzer ohne grünen Daumen interessant. Er ist widerstandsfähig gegen Schädlinge, Trockenheit, Frost, Beschnitt – und gegen Luftverschmutzung. Seine „Industrieverträglichkeit“ lässt ihn auch an abgasgeplagten Standorten an Straßen und in Industriegebieten gedeihen. Kurz: Man muss sich schon Mühe geben, um einen Flügel-Spindelstrauch eingehen zu lassen.

Flügel-Spindelstrauch

Wer hätt´s gedacht?

Die alten Griechen waren sich sicher, dass Bäume von ›Dryaden „beseelt“ sind. Diese Baumnymphen bewohnen die Bäume als gute Geister, viele werden eins mit ihnen. Die Römer übernahmen die Vorstellung, dass Bäume eine „weibliche Seele“ haben. Deshalb sind im Lateinischen wie im Griechischen fast alle Baumnamen weiblich – selbst dann, wenn ihr grammatikalisches Geschlecht männlich ist. quercus (die Eiche), ulmus (die Ulme) oder fagus (die Buche) erlauben Attribute nur in weiblicher Form: quercus alba (Weiße Eiche), ulmus americana (Amerikanische Ulme), fagus lucida (Glänzende Buche).

Was hat das mit dem Flügel-Spindelstrauch zu tun? Nun, der ist nur einer von rund 170 Spindelstrauch-Arten. Und manche davon werden bis zu zehn Meter hoch (die Kriechspindel sogar 20 Meter, aber die mogelt ein bisschen, indem sie efeuartig an anderen Bäumen emporrankt). Deshalb stellt sich die Frage: Sind Pflanzen aus der Gattung „Euonymus“ eher Bäume oder eher Sträucher? Der Pflanze ist es egal, dem Gärtner kann es gleichgültig sein, aber der Botaniker muss das geklärt wissen, sonst kann er nachts nicht schlafen, denn ohne Gewissheit kann er die Pflanze nicht korrekt benennen!

Einige Botaniker tendierten zum Baum und damit zu weiblichen Namen: Sie nannten unsere Pflanze „Euonymus alata“. Andere beharrten auf einen Strauch, der – weil baumnymphenfrei – einen männlichen Namen trägt: Euonymus alatus.

Der Namensstreit eskalierte im Jahr 2000. Es musste die „Nomenklaturkommission für den Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur“ zusammentreten. Sie entschied nach Abwägung aller Argumente: Der Strauch ist ein Strauch, Euonymus als männlich zu behandeln und der wissenschaftlich korrekte Name des 2,50 Meter hohen Exemplars im Botanischen Garten „Euonymus alatus“. Basta.



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