Heimischer Exot
Ein heimischer Baum, der höchst selten ist und den nur wenige kennen, obwohl er mehrere Rekorde hält – wo gibt´s denn so etwas? Bzw. wo wächst denn der? Im Gütersloher Stadtpark steht eine von nur 3.000 Elsbeeren in Nordrhein-Westfalen.
Woher stammt der Name „Elsbeere“?
Die Elsbeere bringt braune, beerenartige Früchte hervor, die von Juli bis September reifen und essbar sind – damit wäre der Namensbestandteil „-beere“ geklärt. Aber was bedeutet das vorangehende „Els“? Jemand, der vielleicht Licht ins Dunkel hätte bringen können, war Martin Luther. In einem Brief des Reformators taucht der Name zum ersten Mal auf. Weil seine Frau Katharina von Bora die Beeren offenbar gerne aß, bat er einen Freund, ihr welche aus Eisleben mitzubringen. Die Bedeutung der Silbe „els“ lässt sich heute leider nicht mehr nachvollziehen.
Der botanische Name „Sorbus torminalis“ setzt sich zusammen aus der lateinischen Bezeichnung „Sorbus“ für Ebereschen/Vogelbeerbäume und „tormina“ als Begriff für Bauchschmerzen und Koliken (von „tormen“ = Pein, Qual). Die Früchte wurden in der Volksmedizin bei Krankheiten im Magen-Darm-Bereich angewendet, speziell gegen die Ruhr. Doch das Wissen um die Heilwirkung der Früchte ging in dem Maße verloren, wie die Elsbeeren aus den Wäldern verschwanden.
Woher stammt die Elsbeere?
Das natürliche Verbreitungsgebiet erstreckt sich in einem breiten Streifen von England über ganz Mitteleuropa und den Balkan bis ans Ufer des Schwarzen Meeres. Das große Verbreitungsgebiet darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Elsbeere ein sehr selten vorkommender Baum ist.
Das gilt auch und insbesondere für den Bestand in Deutschland: Im deutschen Wald wachsen rund 90 Milliarden Bäume, aber nur 80.000 davon sind Elsbeeren. Und von diesen 80.000 Exemplaren wächste allein die Hälfte in Franken, in Nordrhein-Westfalen sind nur rund 3.000 Elsbeeren zu finden.
Zum Vergleich: Die Zahl der Straßenbäume in Gütersloh – wohlgemerkt nicht Bäume allgemein, sondern nur die vom städtischen Fachbereich Grünflächen gepflegten Straßenbäume – liegt mit 29.500 um das Zehnfache höher. Wegen ihrer geringe Population wird die Elsbeere daher als „heimischer Exot“ bezeichnet.
Wo finde ich eine Elsbeere im Stadtpark Gütersloh?
Umso schöner ist es, dass auch ein Exemplar im Stadtpark wächst. Im April 2020 wurde eine Elsbeere an der Hundewiese gepflanzt, als Ersatz für einen Baum, den der ›Orkan „Sabine“ im Februar 2020 so schwer beschädigt hatte, dass er gefällt werden musste. Der Hochstamm wurde direkt an die Weißdornhecke zur Dalkepromenade gesetzt, gegenüber der kleinen Stelle, an der der Fluss renaturiert wurde.
Das Konzept für Neuanpflanzungen sieht vor, eine größere Artenvielfalt zu erzielen, um das Risiko von Klimaschäden zu minimieren. Wenn eine Baumart – wie in den letzten Jahren die Buche – besonders mit den heißen und trockenen Sommern zu kämpfen hat, soll nicht das Gesamtbild des Parks darunter leiden. Allerdings wollen die Stadtgärtnerinnen und -gärtner mit Rücksicht auf die Tierwelt eher heimische Baumarten als solche aus anderen Kontinenten pflanzen. Die Elsbeere als in Mitteleuropa heimische, aber seltene Pflanze ist also eine ideale Kandidatin.
Wie pflanze ich eine Elsbeere im eigenen Garten?
Die Elsbeere braucht nicht viel, nur viel Platz: Sie entwickelt eine breit ausladende Krone. Vor allem aber benötigt sie Licht, steht sie im Schatten, kümmert sie vor sich hin. Mit einer Elsbeere holen Sie sich für die nächsten 200 bis 300 Jahre einen genügsamen, zugleich stattlichen und sehr dekorativen Baum in den Garten, der sowohl sommertags in voller Blüte als auch in seinem leuchtenden Herbstlaub ein Hingucker ist.
Was die „volle Blüte“ betrifft, brauchen Sie aber mitunter etwas Geduld. Die ersten 20 bis 25 Jahre bleibt der Baum blütenlos, und danach mit ein bisschen Pech auch. Die Wildobstpflanze bestäubt sich nicht selbst, und wie oben erwähnt, stehen Elsbeeren oft allein auf weiter Flur. Insekten müssen für die Bestäubung erst noch ein weiteres Exemplar in Flugreichweite aufspüren. Die Erfolgsquote bei der Fremdbestäubung ist zudem nicht besonders hoch, bis zu 80 Prozent der Samen sterben ab. Umso wichtiger, dass mehr Elsbeeren in Gütersloher Gärten gepflanzt werden!
Wer hätt’s gedacht?
Drei bemerkenswerte Fakten zur Elsbeere:
- Erstens: Mit einer Wuchshöhe von bis zu 30 Meter ist sie das größte Rosengewächs der Welt – tatsächlich gehört sie zur Ordnung der Rosenartigen und ist mit den namensgebenden Rosen verwandt.
- Zweitens: Auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 wurde das Holz der Elsbeere zum schönsten Holz der Welt gekürt. Deshalb – und wegen ihrer Seltenheit – liefert die Elsbeere bis heute das mit Abstand teuerste Holz aus deutschen Wäldern.
- Und drittens: Elsbeerbrand gehört zu den kostbarsten Obstbränden. Die Obstbauern rechnen nur alle sieben Jahre mit einer zufriedenstellenden Elsbeeren-Ernte. Zudem braucht es 100 Liter Maische, um drei Liter fertigen Brand herzustellen. Wegen dieser in doppelter Hinsicht geringen Ausbeute ist das Produkt eine gefragte Rarität, die mit Literpreisen zwischen 50 und 800 Euro in den Handel kommt.
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