Passionsspiele in Gütersloh
Man muss nicht nach ›Oberammergau reisen, um den Leidensweg Jesu Christi anschaulich vorgeführt zu bekommen. Ein Besuch im Botanischen Garten Gütersloh genügt: Die Blaue Passionsblume steht dem Markusevangelium in der detailreichen Ausgestaltung der Passionsgeschichte in nichts nach.
Woher stammt der Name „Blaue Passionsblume“?
„Die Blume ist ein Mirakel für alle Zeiten hin; die göttliche Liebe hat darin mit eigener Hand die Schmerzen Christi bezeichnet“, ist sich der italienische Botaniker ›Giovanni Battista Ferrari sicher – so schreibt er es jedenfalls 1633 in seinem Buch „Die Kultur der Blumen“.
Tatsächlich meinten die christlichen Missionare, die im 16. Jahrhundert nach Südamerika kamen, in den Blüten der Pflanze Symbole der ›Passion, der biblischen Leidensgeschichte zu erkennen: Die zehn Blütenblätter standen ihrer Ansicht nach für die zehn treuen Apostel (also ohne Judas, den Verräter, und Petrus, den Verleugner Jesu Christi), der Strahlenkranz aus Staubblättern für die Dornenkrone, der kelchförmige Fruchtknoten für den Heiligen Gral, die fünf Staubgefäße für die Wunden Christi, die Griffel für die Nägel, mit denen er ans Kreuz genagelt wurde, die Sprossranken der Kletterpflanze für die Riemen der Geißel und die spitzen Blätter für die Lanzenspitze, mit der Jesus traktiert wurde. Das Blau und das Weiß der Blume symbolisieren demnach Himmel und Reinheit.
Aber müsste bei so viel durchdeklinierter Symbolik nicht auch irgendwo ein Kreuz sein? Nein, es fehlt, aber auch dafür hatte Ferrari eine Erklärung: „Weil die sanfte und milde Natur die Darstellung des Gipfels der Schmerzen nicht zuließ.”
Eine Besonderheit der Blauen Passionsblume ist die intensiv blau-violette Färbung ihrer Staubblätter und Griffel.
Im Botaniklexikon findet man die Pflanze unter „Passiflora caerulea“, und das ist die direkte Entsprechung von „Blaue Passionsblume“ (lateinisch passio = Leiden, flos = Blume, caeruleus = blau (zu caelum = Himmel)).
Woher stammt die Blaue Passionsblume?
Ihre ursprüngliche Heimat sind die subtropischen Regionen Paraguays, Brasiliens und Argentiniens. Ihre heutige Heimat sind die ganzjährig beheizten Wohnräume Mitteleuropas und Nordamerikas – die Blaue Passionsblume lässt sich gut als Zimmerpflanze halten.
Wo finde ich Blaue Passionsblumen im Botanischen Garten Gütersloh?
Den Winter über im Gewächshaus, nach den Eisheiligen bis zum ersten Frost im Apothekergarten. Nicht nur der Anblick, sondern auch die Inhaltsstoffe einiger Passionsblumen-Arten haben eine beruhigende Wirkung. Als Heilpflanze werden diese Arten gegen Schlafstörungen, Angstzuständen und Stress eingesetzt.
Wie pflanze ich Blaue Passionsblumen im eigenen Garten?
Die Blaue Passionsblume ist in unseren Breiten nicht winterhart. Im Freien ist sie daher am besten als Kübelpflanze auf Terrasse oder Balkon aufgehoben – oder eben als Zimmerpflanze. In jedem Fall braucht sie einen hellen, sonnigen Standort und regelmäßige Wasserrationen.
Wer hätt’s gedacht?
Die Früchte – genauer: Beeren – der Blauen Passionsblume sind für Menschen leider wenig schmackhaft bis ungenießbar, doch das gilt nicht für alle Passionsblumen-Arten. Die essbaren Früchte kommen bei uns entweder als Passionsfrüchte in den Handel oder, das ist der geläufigere Name, als Maracujas („Passionsfruchtsaft“ liest man jedenfalls vergleichsweise selten auf Flaschenetiketten).
„Maracuja“ stammt aus der Sprache der Tupi, einem indigenen Volk an der brasilianischen Atlantikküste aus der Zeit vor der Conquista, der Eroberung ihres Siedlungsraums durch die Spanier. Anders als die allesamt christlich geprägten Namen der Pflanze in Europa hat es eine sehr weltliche Bedeutung: Es bedeutet „essbares Gefäß“. Andere Wörter, die auf die Tupi-Sprache zurückgehen, sind Ananas („gute Frucht“), Jaguar („Dschungelhund“), Tapir („Buschochse“) Piranha („Zahnfisch“) und Cashew („Nierenbaum“, bekannt durch die Nüsse).
Wie die Tupi wohl den Botanischen Garten Gütersloh genannt hätten? Vielleicht „Blumenwald“ oder „Schöne Erde“ – oder „Maracuja-Hort“.
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