Lukrative Löwenpfötchen
Der Rodelhügel an der Großen Wiese im Stadtpark Gütersloh ist für Ortsfremde nicht als solcher zu erkennen. Zu wenige Meter ragt er aus dem ostmünsterländisch-platten Gelände hervor. Nur im gebirgsfernen Gütersloh gilt eine solche Erhebung schon als alpin. Wie zum Beweis wächst nur wenige Hundert Meter entfernt das Alpen-Edelweiß.
Woher stammt der Name „Alpen-Edelweiß“?
„Wäscht nicht nur sauber, sondern rein“, so bewarb Werbeikone ›Klementine jahrzehntelang ihr Waschmittel. „Blüht nicht nur weiß, sondern edelweiß“, könnte der Slogan der Pflanze sein: Auf der filzartigen Oberfläche seiner Hochblätter entwickelt das Alpen-Edelweiß Tausende winziger Luftbläschen, die einfallendes Licht reflektieren und den flaumigen Blütenstern silbrig-schimmernd funkeln lassen.
Noch schöner als der deutsche Name klingt die botanische Bezeichnung der Pflanze: „Leontopodium nivale“ ist eine griechisch-lateinische Co-Produktion und heißt übersetzt „schneeweißes Löwenpfötchen“.
Woher stammt das Alpen-Edelweiß?
Die kleine Staude gilt als die Alpenpflanze schlechthin, wobei sie in den Alpen weder besonders häufig noch ausschließlich in den Alpen vorkommt. Alpen-Jura-Apennin-Karpaten-Pirin-Pyrenäen-Edelweiß wäre korrekter, wenngleich ein wenig sperrig. Klar ist aber: Es handelt sich um eine europäische Hochgebirgsstaude, die in Höhenlagen zwischen 2.000 und 3.000 Metern wächst.
Übrigens eher auf Rasenflächen als an Steilhängen. Dass das „klassische“ Edelweiß-Motiv ein einsames Exemplar an einem überhängenden Felsen zeigt, liegt allein daran, dass die Pflanze ab dem 19. Jahrhundert rücksichtslos von Souvenirjägern gepflückt und von Gartenbesitzern ausgestochen wurde. Ganze Almen wurden „abgeerntet“, nur auf schwer zugänglichen Arealen blieb sie erhalten. Seit den 1980er-Jahren und dank des Naturschutz-Bewusstsein heutiger Wandergruppen haben sich die Bestände aber wieder erholt.
Wo finde ich Alpen-Edelweiß im Botanischen Garten Gütersloh?
Im Sonnengarten an der Rundpergola. Dort wachsen gemeinhin Pflanzen aus wärmeren Gebieten. Obwohl das Alpen-Edelweiß in seiner natürlichen Umgebung eher kühleren Temperaturen ausgesetzt ist, hat es etwas mit seinen Beetnachbarn gemein: Es ist intensive UV-Strahlung gewohnt. Im baum- und damit schattenlosen Hochgebirge schützt sich das Edelweiß durch seine Behaarung – wie auch der Woll-Ziest, die Küchenschelle und der Salbei – vor „Sonnenbrand“.
Wie pflanze ich Alpen-Edelweiß im eigenen Garten?
Das Alpen-Edelweiß gehört zu den Schwachzehrern. Heißt: Es ist extrem genügsam, unempfindlich gegen Hitze und Kälte, wächst wunderbar auch auf steinigen Böden (sogar auf Schotter), braucht wenig Wasser und keinen Dünger.
Die Kehrseite der Medaille: Das Alpen-Edelweiß ist konkurrenzschwach. Ist der Boden besser als am Hochgebirgshang, werden ohne Ihr stetes Eingreifen andere Pflanzen dem Edelweiß zu Leibe rücken. Schnell wird die nur 20 cm hohe Pflanze beschattet oder überwuchert und geht ein.
Wer hätt’s gedacht?
Eines der ältesten Naturschutzgesetze Europas geht auf das Edelweiß zurück – wenngleich die Absicht dahinter weniger vom Umweltgedanken als von Geschäftssinn geprägt war. 1878 erließ der Schweizer Kanton Obwalden eine Verordnung, mit der das Ausstechen von Edelweiß fortan unter Strafe stand. Einen entsprechenden Antrag hatte am 18. Februar des Jahres die Gemeinde ›Engelberg formuliert. Zu viele Städter würden sich bei einem Ausflug in die Alpen ein Stück Bergidylle mit in den eigenen Garten nehmen, so dass – Zitat – „die Zierde unserer Hochalpen drohe, gänzlich ausgerodet zu werden“.
Was sich zunächst nach der Sorge um alpine Artenvielfalt anhört, stellt sich schnell als Angst um wegbrechende Geschäfte heraus. Der Verkauf von Edelweißblüten an Touristen war eine lukrative Einnahmequelle und man sah, wieder Zitat, „diesen schönen Erwerbzweig verblühen“. Der Regierungsrat handelte prompt: Bereits am 20. März 1878, also gerade mal einen Monat nach dem Antrag, war der Erlass amtlich.
Man weiß kaum, worüber man am meisten staunen soll: Wie lange es schon Naturschutzgesetze giebt, wie dreist der Naturschutz für Wirtschaftsinteressen missbraucht wurde oder wie schnell und effizient eine Verwaltung damals arbeitete. Kurz überlegt: über letzteres.
Mehr Stauden und Bäume im Stadtpark und Botanischen Garten Gütersloh:
- nach Standort sortiert
- alphabetisch sortiert nach ihren botanischen Namen
- sortiert nach ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet
Mehr Pflanzenporträts …
… finden sich im humorvollen Stadtpark-Führer „Ab in die Botanik“ unserer Mitglieder Matthias Borner und Daniela Toman. Das ebenso informative wie unterhaltsame Buch mit mehr als 200 Fotos können Sie auf der Seite ›www.guetersloherisch.de erwerben und sich versandkostenfrei zuschicken lassen.