Ährige Scheinhasel

Ährige ScheinhaselÄhrige Scheinhasel

Hochverehrter Hochverräter

Sieht aus wie eine Hasel, ist aber keine – dann ist es eine Scheinhasel. Der Vorfrühlingsblüher kann und sollte auf keinen Fall einen Haselnussstrauch im Garten ersetzen. Aber vielleicht die Forsythien, die man so häufig sieht und die zumindest aus Bienensicht wertlos sind.

Woher stammt der Name „Ährige Scheinhasel“?

Ihren deutschen Namen verdankt die Ährige Scheinhasel
a) ihren Blütenständen, die ab März in langen Ähren von den Zweigen hängen, und
b) ihren Blättern, die denen des Haselnussstrauchs gleichen.

Er ist eine Übersetzung ihres botanischen Namens „Corylopsis spicata“: „Corylus“ heißt die Gattung der Haseln, „opsis“ bedeutet „Aussehen“, „spicata“ meint „ährenförmig“.

Woher stammt die Ährige Scheinhasel?

Einmal mehr stellen wir in dieser Rubrik eine Pflanze vor, deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet auf Japan beschränkt war.

Wo finde ich Ährige Scheinhaseln im Botanischen Garten Gütersloh?

Von der Hyazinthenwiese her kommend vor dem kleinen Tümpel sowie neben den Flamingos am Eingang zum Lavendelgarten finden Sie gleich mehrere Exemplare.

Wie pflanze ich eine Ährige Scheinhasel im eigenen Garten?

Alle Nase lang begegnen einem auch in Gütersloher Gärten quietschgelbe Forsythien. Versuchen Sie es doch mal zur Abwechslung mit einer Ährigen Scheinhasel! Die blüht sogar noch früher im Jahr und wirkt durch das etwas zurückhaltende Gelb und den kompakteren Wuchs viel edler.

Anders als die Forsythie wird die Scheinhasel auch im Herbst bewundernde Blicke auf sich ziehen, wenn sich ihre blätter gelb-orange färben. Während Sie Forsythien regelmäßig beschneiden müssen, pflegen Sie Scheinhaseln am Besten durch Nichtstun – die wachsen ohnehin langsam und werden meist 1,50, maximal 2 Meter hoch. Zudem sind Scheinhaseln eine hervorragende Bienenweide, während Forsythien weder Blütenstaub noch Nektar produzieren und aus Insektensicht genauso gut aus Plastik sein könnten.

Fairerweise wollen wir ihren Schwachpunkt nicht verhehlen. Die Forsythie ist robust und anpassungsfähig – genau deshalb sieht man sie ja alle Nase lang. Die Scheinhasel ist im Beet bei weitem nicht so konkurrenzstark. Aber dafür kann sie sich ja auf Ihre schützende Hand verlassen.

Wer hätt’s gedacht?

Wegen der langen Isolationspolitik Japans konnte die Ährige Scheinhasel in Deutschland erst 1865 erstmals gepflanzt werden. Den europäischen Botanikern war der Strauch zu dieser Zeit aber schon seit fast drei Jahrzehnten bekannt. Denn 1836 war die in Fachkreisen als Sensation gefeierte „Flora Japonica“ erschienen. Der Prachtband porträtierte die in der westlichen Welt weithin unbekannte japanische Pflanzenwelt in Wort und Bild – darunter auch „Corylopsis spicata“ (und übrigens auch das Dickmännchen und den Japanischen Blauregen).

Autor war der Würzburger Philipp Franz von Siebold. Der Naturforscher hatte ab 1823 für mehr als sieben Jahre als Arzt in niederländischen Diensten auf einer kleinen künstlichen Insel vor Nagasaki gewirkt. Das Betreten des Landesinneren war den Europäern prinzipiell verboten. Allerdings schaffte Siebold es, in seiner Rolle als Mediziner persönliche Kontakte zu Einheimischen aufzubauen, darunter Ärzte und Gelehrte.

Ährige Scheinhasel

Für seine Behandlungen und Lehrstunden nahm er kein Geld, doch kam ihm die japanische Kultur des Austauschens von Geschenken entgegen. Schnell sprach sich herum, über was sich der Forscher besonders freute: Pflanzen, Tierpräparate, Kunstobjekte, Landkarten zum Beispiel. Als Siebolds Dienstzeit zu Ende ging, hatte er allein 500 lebende und 2.000 getrocknete Pflanzen zusammengetragen.

Sein Gepäck für die Heimreise bestand zum großen Teil aus Dingen, deren Ausfuhr strengstens untersagt war. Wie es so kommt: Sein Schiff wurde von einem Taifun an Land getrieben, der Schmuggel flog auf und ging als „Siebold-Affäre“ in die japanische Geschichte ein. Siebold wurde als Hochverräter angeklagt.

Das Urteil „lebenslange Verbannung“ fiel gnädiger aus als die zunächst geforderte Todesstrafe. Bitter war es dennoch, denn er hatte längst eine Japanerin kennengelernt und eine Tochter gezeugt, die beide auf der Insel bleiben mussten. Nach seiner Lebensgefährtin benannte er später eine Hortensie, ansonsten fand das Familienglück damit ein jähes Ende.

Heute wird Siebold in Europa wie in Japan als der Wegbereiter der modernen Japanologie angesehen und gewürdigt. In seiner Geburtsstadt Würzburg, im niederländischen Leiden und an seiner Wirkungsstätte Nagasaki befinden sich Siebold-Museen (›Siebold-Museum – Deutsch-Japanisches Forum Würzburg, ›Japanmuseum SieboldHuis, ›Siebold Memorial Museum). In den Botanischen Gärten von München und Leiden rühmen Gedenkstätten seine Pionierleistung. Und im Botanischen Garten von Gütersloh wachsen Ährige Scheinhaseln – das soll in Ostwestfalen genügen, um an den Erstbeschreiber dieser und so vieler weiterer Pflanzen zu erinnern.



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