Smoke on the Water
Rohrkolben gehören zu den Pflanzen, die jeder kennt und erkennt – zumindest dann, wenn die Sumpfpflanze ihre charakteristischen, zigarrenartigen Blütenstände entwickelt hat. Genau die haben auch dafür gesorgt, dass der Volksmund Namen für die Pflanze gleich im Dutzend fand.
Woher stammt der Name?
Einige der Trivialnamen sind recht anschaulich (Lampenputzer, Kanonenputzer, Schlotfeger, im Amerikanischen Cattail = Katzenschwanz), andere zumindest wohlklingend (Pompesel, Schmackadutsche oder Piepenpapen), wieder andere würde man in anderem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen wollen (Bumskeule). Ob der Breitblättrige Rohrkolben wirklich so breite Blätter hat, ist eine Frage der Perspektive. Verglichen mit dem Mammutblatt (Riesenrhababer) eher nicht. Verglichen mit dem Schmalblättrigen Rohrkolben aber eben doch.
Der botanische Name lautet „Typha latifolia“. Der Gattungsname „Typha“ stammt vom griechischen Wort „týphos“ für „Rauch“ oder „Wolke“ ab. Wenn zur Samenreife der ursprünglich braune Blütenstand in flaumige, weiße Härchen eingehüllt ist und der Wind die Flugsamen fortträgt, mag es tatsächlich so aussehen, als steige Rauch aus dem Wasser. Wer weiß, ob Deep Purple nicht doch bei einem Spaziergang durchs örtliche Röhricht zu ihrem ›Rock-Klassiker inspiriert wurden?
Der Artname „latifolia“ setzt sich aus dem lateinischen „lati-“ für „breit“ und -folia“ für „Blatt“ zusammen, heißt also wie im Deutschen „breitblättrig“.
Woher stammt der Rohrkolben?
Rohrkolben sind Kosmopoliten. Da sie sich in gemäßigten Zonen ebenso wohl fühlen wie in subtropischen und tropischen, haben sie sich auf der ganzen Welt ausgebreitet. Dazu hatten sie auch genügend Zeit: Rohrkolben gab es schon vor 100 Millionen Jahren. Sie haben Eiszeiten überlebt, Dinosaurier, Überschwemmungen und sogar die Dalkebegradigung – Rohrkolben wird es mutmaßlich auch noch geben, wenn sich die Menschheit längst selbst zerlegt hat.
Wo finde ich Rohrkolben im Botanischen Garten?
Im und am Teich des Naturnahen Gartens.
Wie pflanze ich Rohrkolben im eigenen Garten?
Als Besitzer eines etwas größeren Teiches und auch dann am besten in Pflanzkörben. Die positive Eigenschaft des Rohrkolben ist seine Fähigkeit, Wasser zu filtern – Algen sind in einem Teich mit Rohrkolben-Population nicht zu befürchten. Die negative Eigenschaft ist seine Verbreitungskraft. Gerade kleine Teiche hat er schnell im Griff und verdrängt andere Wasser- und Uferpflanzen.
Zudem nehmen es seine Rhizome jederzeit mit der Teichfolie auf. Ist diese zu dünn, zu alt oder erstaunlich günstig auf dem Supermarktparkplatz-Flohmarkt gekauft worden, bohren sich die Wurzeln – im Wasser von oben kommend oder vom Uferrand her von unten kommen – durch die Folie und lassen das Wasser absickern.
Wer hätt´s gedacht?
Rohrkolben sind besonders beliebt bei Survival-Abenteurern. Zum einen lagern die Wurzeln Stärke ein und können roh, geröstet oder gekocht verzehrt werden – wahrscheinlich gönnt sich ›Rüdiger Nehberg morgens ein paar frisch ausgebuddelte Rohrkolben-Rhizome zum Frühstück. Zum anderen sind die stark behaarten Samen getrocknet ein hervorragender Feueranzünder. Ein kleiner Funken reicht aus, dass sich die feinen Härchen fast explosionsartig entzünden.
Doch nicht nur in Extremsituationen kommt und kam Rohrkolben zum Einsatz. Im Deutschen Kaiserreich und auch noch in den Jahren danach waren Rohrkolben-Fasern vor allem in der Textilindustrie kein unbedeutender Rohstoff. Beim Reichspatentamt hatte sich die Deutsche Typha-Verwertungsgesellschaft (die vielleicht mal ein paar Reichsmark in eine Namensagentur hätte investieren sollen) ein Patent zur Herstellung „schmiegsamer und zugleich reißfester Fasern“ gesichert.
Doch ähnlich wie Hanf geriet er als Rohstoff zuerst aus der Mode und dann in Vergessenheit. Erst Ende der 1990er Jahre wurde der Nutzwert der Pflanze wiederentdeckt. Ihr großer Vorteil: Sie ist unempfindlich, wächst schnell und in natürlichen Monokulturen und bringt große Erträge. Rohrkolben wird daher heutzutage zur Gewinnung von Biomasse genutzt, außerdem zur Reinigung von Abwässern in Kläranlagen, zur Entgiftung von Böden und Schlämmen, als Torfersatz, als Flechtmaterial in der Möbelindustrie, als Dekorationspflanze in der Floristik sowie als Heizmaterial eingesetzt und von Firmen wie typha technik (schon besser…) als wärmedämmender, schimmelresistenter, statisch hochbelastbarer, nachhaltiger, kurz als Bau- und Dämmstoff der Zukunft angepriesen. Und natürlich dient er weiterhin als Zierpflanze – wie im Botanischen Garten.
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