Gemeiner Efeu

Efeu

Gemeiner Wucherer vor Gericht

Der Efeu steht in unserer Kolumne vor Gericht. Angeklagt ist er vom Volksmund: Viele Gärtner sehen ihn als Schmarotzer, der Bäume erwürgt, Mauerwerk zerstört und kaum zu bändigen ist.

Zu seiner Entlastung ist festzustellen, dass er gleichzeitig zu den beliebtesten Gartenpflanzen gehört. Wer schnell, sicher und ohne grünen Daumen eine größere Fläche – ob vertikal oder horizontal – begrünen will, freut sich über seinen Wuchs. Zudem ist Efeu auch eine vielgenutzte Arzneipflanze. Schützt ihn das vor einer Verurteilung? Zeit für die Gerichtsverhandlung in Sachen „Volksmund gegen Efeu“.

Woher stammt der Name „Efeu“?

Bei jeder Gerichtsverhandlung klärt man zunächst einmal die Personalien. Also: Wie heißt der Angeklagte und warum? Die Herkunft des Wortes „Efeu” ist unter Sprachforschern umstritten. Die einen meinen, es käme vom  althochdeutschen „ebahewi“ (eba= Kletterer und hewi= Heu, also „Kletterheu“). Die anderen behaupten, es gehe auf das lateinische ibex = Steinbock zurück. Hinweise gibt uns das zumindest auf den Beruf des Angeklagten: irgendwas mit klettern.

Ist Efeu schon in der Vergangenheit aktenkundig geworden? Allerdings: Die botanische Bezeichnung „Hedera helix“ findet man schon in den mehr als 2000 Jahre alten Werken Virgils. Eine (freie) Übersetzung lautet „die sich windende Festsitzende“. Keine allzu entlastende Umschreibung …

Woher stammt der Efeu?

Wie sieht das Elternhaus des Angeklagten aus? Hatte er eine schwere Kindheit? Die natürliche Heimat des Efeus ist Mittel-, West- und Südeuropa. Mit der Kolonialisierung breitete sich die Pflanze auf der ganzen Welt aus. Speziell in Nordamerika war man darüber wenig begeistert und sieht in der fremden Pflanze nicht erst seit Donald Trump einen störenden Eindringling und eine Gefahr für die heimische Pflanzenwelt. Entlastungszeugen wird sich der Efeu woanders suchen müssen …

Wo finde ich Efeu im Stadtpark?

Die Tatorte sind den Stadtgärtnern hinlänglich bekannt. Eines von Dutzenden Beweisfotos zeigen wir hier: eine rankende Pflanze am Eingang des Botanischen Gartens zum Naturnahen Garten bei den Parkplätzen „Am Stadtgarten“.

Wie pflanze ich Efeu im eigenen Garten?

Sie möchten vorsorglich ihre Mitarbeit in einem Resozialisierungsprojekt anmelden und Efeu pflanzen? Gerne, die Pflege ist ja auch nicht allzu aufwändig. Allerdings ist die Sozialprognose, was das Wuchern angeht, schlecht. Autoritäre Bewährungshelfer verhindern den Rückfall mit der Gartenschere, sozialere Charaktere versuchen der Pflanze Halt zu geben und installieren Rankhilfen.

Wer hätt´s gedacht?

Kommen wir zur eigentlichen Frage: Wie gemein ist der Gemeine Efeu wirklich? Ist er ein skrupelloser Baummörder oder nicht?

Die Liste der Anschuldigungen ist lang: Seine Wurzeln bohrten sich in den von ihm bekletterten Baum und entzögen ihm im Wurzelraum die Nährstoffe, er überwuchere Baumkronen, nähme dem Baum Luft und Licht, ja „erdrossele“ ihn letztlich oder erdrücke ihn durch sein Gewicht.

Doch die Verteidigung weiß Entlastendes vorzubringen: Die Haftwurzeln des Efeus dienen allein als Kletterhilfe und können keinen Baum „anzapfen“. Untersuchungen an Jahresringen belegen, dass Efeu keinen Einfluss auf die Dicke eines Stammes hat; die Erdrosselungsthese ist haltlos. Zwar kann starker Efeubewuchs wie ein Segel wirken und die Wind- und Schneebruchgefahr erhöhen. Einen vitalen Baum ficht das aber nicht an. Wenn tatsächlich ein efeubewachsener Baum durch Wind oder Schnee fällt, dann hat der Efeu das allerhöchstens begünstigt – die Ursache für die Schwäche des Baumes ist er so gut wie nie.

So bleibt am Ende nur ein einziger Anklagepunkt, der eine Verurteilung rechtfertigt: das Überwuchern. Zumindest kleinere Bäume und Großsträucher können von Efeu tatsächlich so stark überwachsen werden, dass sie an Lichtmangel leiden. Leider reicht das allzu vielen Gärtnern, um Lynchjustiz zu praktizieren. Jahrzehnte-, bisweilen gar jahrhunderte alte Efeupflanzen werden über dem Boden gekappt.

Unser Urteil lautet dagegen: Der Angeklagte ist des Wuchers schuldig, der Volksmund aber zugleich in mehreren Fällen der Verleumdung. Wäre da nicht ein Vergleich die beste Lösung? Sie dürfen sich gerne zur Beratung mit ihrem Anwalt zurückziehen. Am besten in den Botanischen Garten



Mehr Stauden und Bäume im Stadtpark und Botanischen Garten Gütersloh:


Ab in die Botanik - Stadtpark GüterslohMehr Pflanzenporträts …

… finden sich im humorvollen Stadtpark-Führer „Ab in die Botanik“ unserer Mitglieder Matthias Borner und Daniela Toman. Das ebenso informative wie unterhaltsame Buch mit mehr als 200 Fotos können Sie auf der Seite ›www.guetersloherisch.de erwerben und sich versandkostenfrei zuschicken lassen.


Lesen Sie als nächstes …

Ährige Scheinhasel

Ährige Scheinhasel

Hochverehrter Hochverräter Sieht aus wie eine Hasel, ist aber keine – dann ist es eine Scheinhasel. Der Vorfrühlingsblüher kann und sollte auf keinen Fall einen Haselnussstrauch im Garten ersetzen. Aber… Weiterlesen